Kommentar

Mit Schreiben vom 31.1.2013 hat das BMF die Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) veröffentlicht[1]. Neben Änderungen zu einzelnen Regelungen der AO hat die Finanzverwaltung ausführlich das Insolvenzverfahren und die verfahrensrechtlichen Folgen für das Besteuerungsverfahren dargestellt. Für die Beratungspraxis sind diese Regelungen für die Frage, wer im Besteuerungsverfahren tätig werden kann/darf, und für die Frage, ob Vollstreckungsmaßnahmen zulässig sind, von erheblicher Bedeutung.

1. Überblick über das Insolvenzverfahren

Allgemein gilt: ist über das Vermögen eines Steuerpflichtigen das Insolvenzverfahren eröffnet worden, darf die Finanzverwaltung ihre Ansprüche nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung geltend machen[2].

Unterschieden werden 2 Arten der Insolvenz,

  1. Regelinsolvenz
  2. Privatinsolvenz (Verbraucherinsolvenz)

Für die Privatinsolvenz gelten grundsätzlich dieselben Regelungen wie für die Regelinsolvenz, wenn sich nicht aus dem 9. Teil der Insolvenzordnung, also den §§ 304 ff InsO, eine andere Regelung ergibt. Die Besonderheiten der Verbraucherinsolvenz sind im Erlass unter Ziff. 12 zu § 215 AEAO näher erläutert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit die Regelinsolvenz durch das Verfahren der Eigenverwaltung abzuwenden.

2. Stufen der Regelinsolvenz

Die Regelinsolvenz wird durchgeführt, wenn ein Antrag auf Eröffnung der Insolvenz gestellt wird und das Insolvenzverfahren eröffnet. Bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag kann das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen anordnen[3].

2.1 Antrag auf Eröffnung der Insolvenz

Eine Insolvenz kann beantragt werden, wenn der Unternehmer bzw. das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder die Zahlungsunfähigkeit droht[4]. Voraussetzung für die Eröffnung einer Insolvenz ist ein schriftlicher Antrag auf Eröffnung, den sowohl der Schuldner als auch jeder Gläubiger stellen kann. Ein Gläubiger ist antragsberechtigt, wenn er seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner, sein rechtliches Interesse an der Eröffnung und einen Eröffnungsgrund glaubhaft machen kann. Antragsberechtigt ist bei Vorliegen dieser Voraussetzungen selbstverständlich auch das Finanzamt. Nach Ziff. 2.2 zu § 251 AEAO ist das Finanzamt bei vollstreckbaren Rückständen im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung gehalten, die Insolvenz zu beantragen, wenn ein Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung, drohende Zahlungsunfähigkeit) vorliegt.

Achtung

Die Eröffnung einer Insolvenz kann bei Freiberuflern, die einer Berufskammer angehöhren, z. B. Architekten, Rechtsanwälten, Steuerberatern, dazu führen, dass ihnen wegen fehlender wirtschaftlicher Unabhängigkeit die Zulassung zur Berufskammer entzogen wird. Dies sollte – z. B. wenn es im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung um hohe Steuernachforderung geht – immer im Blick behalten werden, wenn versucht wird, die Steuernachforderung mit dem Argument nach unten zu verhandeln, dass bei Realisierung der im Streit stehenden Steuerforderung Insolvenz droht. Hier ist unbedingt ein behutsames Vorgehen erforderlich.

2.2 Erfüllung der Forderung nach Antrag auf Insolvenzeröffnung

Wird die offene Steuerforderung ausgeglichen, wird grundsätzlich der Antrag des Finanzamts auf Eröffnung der Insolvenz unzulässig[5]. War allerdings innerhalb der letzten 2 Kalenderjahre bereits ein Eröffnungsantrag gestellt worden, bleibt der Antrag trotz der Erfüllung des Anspruchs zulässig. Nicht notwendig ist es, dass der Antrag auf Insolvenzeröffnung vom demselben Gläubiger gestellt wurde. Die Finanzämter werden daher vom BMF aufgefordert, im Insolvenzantrag nicht nur auf eigene Voranträge, sondern auch auf dem Finanzamt bekannte Voranträge von dritter Seite, hinzuweisen.

2.3 Einsetzung eines vorläufig (starken oder schwachen) Insolvenzverwalter

Die häufigste Sicherungsmaßnahme nach einem Insolvenzantrag ist die Anordnung eines Vollstreckungsverbots sowie die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung durch Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Je nach Umfang seiner Befugnisse wird zwischen einem starken und einem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter unterschieden.

Spricht das Insolvenzgericht dem Schuldner gegenüber ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO aus, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über; wegen der damit verbundenen umfassenden Befugnisse wird vom "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter gesprochen. Im Besteuerungsverfahren hat der vorläufige starke Insolvenzverwalter dieselben Pflichten wie der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. D. h. der starke Insolvenzverwalter ist Vermögensverwalter[6] und hat als solcher die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen[7].

Praxishinweis: Die vom vorläufigen starken Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten gelten nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 2 InsO, d. h., sie sind – ebenso wie die Kosten des Ins...

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