Frage: In der Vergangenheit wurde von Ihnen bereits mehrfach die "Erhöhung des Streitwerts nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG" behandelt (vgl. HHG 12/2017, 4/2018, 11/2018). Wir haben kürzlich in meiner Steuerberatungskanzlei die Frage diskutiert, ob die Voraussetzungen für eine Streitwerterhöhung erfüllt sind, wenn ein Finanzgerichtsprozess wegen der Bildung einer Rücklage nach § 6c Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 6b EStG geführt wird. Bejahendenfalls würde uns interessieren, wie diese zu berechnen ist.

Antwort: Der BFH hat die Frage zur Streitwerterhöhung wie folgt beantwortet (Beschluss v. 24.7.2018, VI S 12/17, BFH/NV 2018, S. 1090):

"Ist Streitgegenstand die Frage der Zulässigkeit einer (rückwirkend) zu bildenden Rücklage nach § 6c Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 6 Abs. 3 EStG, wirkt sich die Frage regelmäßig nicht nur auf das Streitjahr, sondern i. S. des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG auch auf die Folgejahre aus."

Einzelheiten des Ausgangsverfahrens

Im Ausgangsverfahren hatten die Kläger mit der Revision erfolgreich das Ziel verfolgt, eine im Nachhinein im Jahr 2010 gezahlte "Entschädigungsprovision" als nachträgliche Kaufpreiszahlung einer im Jahr 2008 veräußerten Landwirtschaftsfläche zu qualifizieren, um hierfür entsprechend § 6c Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 6b Abs. 3 EStG rückwirkend für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 eine Rücklage zu bilden. Über diese Frage war erstmals und ausschließlich im Streitjahr 2009 zu entscheiden, da sich die Bildung, Auflösung und teilweise Übertragung erstmals gewinnwirksam im Einkommensteuerbescheid 2009 auswirkte (wegen der Einzelheiten vgl. BFH, Urteil v. 10.3.2016, IV R 41/13, BStBl 2016 II, S. 984, Rz. 21 und 40).

Ermittlung des Streitwerts

Der BFH führt im Beschluss v. 24.7.2018 aus, dass die Kläger sich (zulässigerweise) gegen den die Einkommensteuer auf 0 EUR festsetzenden Steuerbescheid 2009 wandten. Da die Einkommensteuer für dieses Jahr aufgrund der gewinnwirksamen teilweisen Auflösung der Rücklage unverändert bei 0 EUR geblieben ist, war bei Anwendung von § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG der Mindeststreitwert von 1.500 EUR nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG anzusetzen.

Dieser Streitwert war nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG um das 3-fache auf 4.500 EUR zu erhöhen, weil die steuerliche Auswirkung der Frage der Zulässigkeit der (rückwirkenden) Bildung der Rücklage nach § 6c Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 6b Abs. 3 EStG nicht nur das Streitjahr, sondern auch die Folgejahre betraf. Denn zum einen musste die im Wirtschaftsjahr 2007/2008 gebildete Rücklage wieder gewinnwirksam aufgelöst werden. Zum anderen hing davon der Zeitpunkt der Versteuerung der nachträglich vereinnahmten Zahlung ab, nämlich im Wirtschaftsjahr des Zuflusses im Jahr 2010 oder entgegen dem Zuflussprinzip fiktiv im Wirtschaftsjahr der Veräußerung 2007/2008.

 
Hinweis

Offensichtlich absehbare Auswirkungen sind Voraussetzung für die Streitwerterhöhung

Voraussetzung für die Streitwerterhöhung nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG ist, dass der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte hat. Im finanzgerichtlichen Verfahren liegen offensichtlich absehbare zukünftige Auswirkungen in diesem Sinne vor, wenn ohne umfangreiche Prüfung oder aufwendige Überlegungen, also auf den ersten Blick erkennbar ist, dass der konkret verwirklichte Sachverhalt auch die Höhe zukünftiger Steuerfestsetzungen beeinflusst. Es reicht nicht aus, wenn dieselbe rechtliche Problematik zwar in zukünftigen Zeiträumen auftritt, die Verwirklichung des entsprechenden konkreten Sachverhalts aber nicht hinreichend sicher absehbar ist. Es muss vielmehr zum Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung eindeutig bestimmbar sein, ob solche zukünftigen Auswirkungen dem Grunde nach bestehen.

Nicht erforderlich ist, dass der Betrag der offensichtlich absehbaren Auswirkungen der Höhe nach offensichtlich und genau bestimmt ist. Es genügt vielmehr, wenn dieser ohne Schwierigkeiten anhand der Steuerakten für die Folgejahre ermittelbar ist bzw. wenn die Höhe der offensichtlich feststehenden Auswirkungen zuverlässig geschätzt werden kann.

Im Revisionsverfahren führte die Bildung der Rücklage in den Einkommensteuerbescheiden 2010 und 2011 jeweils zu einer Einkommensteuerminderung von 10.990 EUR. Da § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG jedoch bestimmt, dass der Streitwert die Summe des 3-fachen des Werts nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG – das war vorliegend der für das Revisionsverfahren anzusetzende Mindeststreitwert von 1.500 EUR – nicht übersteigen darf, war vorliegend – trotz der höheren steuerlichen Auswirkungen in den Jahren 2010 und 2011 – nur ein Streitwert von insgesamt 4.500 EUR anzusetzen.

Autor: Dipl.-Finw. Werner Becker, Namborn

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