rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch bei Familienwohnsitz in China

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Wohnsitz liegt vor, wenn die Wohnung dadurch als Bleibe dient, dass sie ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutzt wird. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinanderfolgender kurzer Zeitraume zu Erholungszwecken macht eine Wohnung nicht zum Wohnsitz im Sinne des § 8 AO.
  2. Die Wohnung im Inland muss nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen bilden, es reicht jedoch nicht aus, dass jemand, der dauert und langfristig mit seiner Familie im Ausland wohnt sich nur gelegentlich im Urlaub in der Wohnung aufhält, die ihm unentgeltlich von Dritten zur Verfügung gestellt wird. In einem solchen Fall dienen die zur Verfügung gestellten Räume nicht als Bleibe und begründen damit keinen Wohnsitz.
  3. Bei einem ins Ausland versetzten Arbeitnehmer begründet das Beibehalten einer eingerichteten Wohnung im Inland eine vom Umfang der tatsächlichen Nutzung unabhängige Vermutung für eine fortdauernde Nutzungsabsicht.
  4. Der Umstand, dass die Wohnung untervermietet wird, schließt dagegen eine künftige regelmäßige Benutzung aus.
  5. Zum Innehaben einer Wohnung ist es erforderlich, dass über die Wohnung ständig verfügt werden kann; dabei ist die Zahlung von Miete für die tatsächliche Verfügungsbefugnis über die Wohnung nicht notwendig.
 

Normenkette

EStG §§ 32, 62-63; AO § 8

 

Streitjahr(e)

2019

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in einem Zeitraum, in dem sie sich mit ihrer Familie überwiegend in China aufhält, zusammen mit ihren Kindern noch einen inländischen Wohnsitz unterhält und in der Konsequenz einen deutschen Kindergeldanspruch hat. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige chinesischer Abstammung, ist die Mutter der am 12.09.2008 geborenen Zwillinge A und B. Die Kinder wurden in Deutschland geboren und lebten zunächst ununterbrochen mit ihren Eltern in einem Haus in C (Hessen). Das vorgenannte Haus steht im Eigentum der Firma D GmbH, deren Alleingesellschafter-Geschäftsführer der Ehemann der Klägerin, Herr E, ist. Der Nutzung des Hauses lag ein zwischen der D GmbH und Herrn E geschlossener Mietvertrag (der in 2010 bereits einmal gekündigt, aber später wieder in Kraft gesetzt wurde) zu Grunde.

Bereits im Jahr 2011 erfolgte eine arbeitgeberseitige Abordnung des Ehemanns der Klägerin nach China. Die Beklagte (die Familienkasse) hob die in der Vergangenheit zu Gunsten der Klägerin vorgenommene Kindergeldfestsetzung für den Abordnungszeitraum (Januar 2011 bis einschließlich März 2016) auf und forderte das ausgezahlte Kindergeld zurück. Dagegen wandte sich die Klägerin zunächst mit dem Einspruch. Gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung der Familienkasse ging sie nicht mit einer Klage vor, so dass der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid Bestandskraft erlangte. Nach Ablauf der Abordnungszeit kehrte die Familie wieder nach Deutschland zurück; von Seiten der Familienkasse erfolgte eine erneute Kindergeldfestsetzung zu Gunsten der Klägerin.

Im Sommer 2019 wurde der Ehemann der Klägerin wiederum für drei Jahre nach China entsandt. Die Klägerin und die Kinder folgten ihm dorthin und verbrachten die meiste Zeit des Jahres in China. Wie schon bei der vorhergehenden Abordnung will die Klägerin mit ihrer Familie die Sommerferien (ca. zwei Monate) und teilweise auch einige Wochen im Frühjahr in Deutschland verbringen. Dabei soll erneut das im Eigentum der D GmbH stehende Haus in C (Hessen) zu Wohnzwecken genutzt werden. Seit der Geburt der Kinder steht dieses Haus der Klägerin und ihrer Familie während ihrer Aufenthalte in Deutschland zur Verfügung. Es ist mit Möbeln der Klägerin und ihrer Familie ausgestattet, die in den vergangenen Jahren durchgehend in dem Haus aufgestellt waren und auch während der erneuten Abordnungszeit dort verbleiben sollen. Eine Nutzung des Hauses durch andere Personen als die Klägerin und ihre Familienangehörigen soll - wie bereits in der Vergangenheit - nicht erfolgen. Am 25.06.2019 schlossen die D GmbH und der Ehemann der Klägerin einen Nachtrag zum Geschäftsführervertrag vom 21.03.2001, in dem unter § 4 (Miete) geregelt wird, dass der Geschäftsführer mit seinen Familienangehörigen während seines jährlichen Aufenthalts in Deutschland in seiner bisherigen Wohnung C (Hessen) wohnt und er während dieser Zeit die bisherige Miete zahlt. Des Weiteren wird darin geregelt, dass ihm (und seinen Familienangehörigen) nach Beendigung der Entsendung diese Wohnung wieder dauerhaft und uneingeschränkt zur Verfügung steht.

Nachdem die Familienkasse von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, hob sie die zu Gunsten der Klägerin erfolgte Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 06.09.2019 ab Oktober 2019 auf. Unter dem 12.09.2019 erließ sie einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid, der die Monate August und September 2019 zum Gegenstand hatte. Die ...

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