Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Auflösung des Dienstverhältnisses durch endgültiger Einstellung der Arbeitstätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses setzt voraus, dass das rechtliche Band zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in seiner Gesamtheit gelöst wird.
  2. Der vertragliche Ausschluss der Ausübung einer Arbeitstätigkeit bis zum Bezug von Altersrente führt allein nicht bereits zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 9

 

Streitjahr(e)

1999

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.04.2003; Aktenzeichen XI R 50/01)

 

Tatbestand

Der am 20.02.1940 geborene Kläger wurde von seinem Arbeitgeber, einer Landesbank, nach 42 Dienstjahren mit Wirkung ab 1.04.99 „beurlaubt”. Für die Zeit der Beurlaubung sollten vereinbarungsgemäß die Bestimmungen des Tarifvertrages zur vorgezogenen freiwilligen Pensionierung ( Teil V der Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken –Vorruhestands-Tarifvertrag -VTV-) sinngemäß gelten. Abweichend von der Bestimmung des § 2 Ziff. 1 des VTV war ausdrücklich vereinbart worden, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet wird. Allerdings wurde eine Wiederaufnahme der Tätigkeit vom Beginn der Beurlaubung bis zum Beginn der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung am 1.03.2003 ausdrücklich ausgeschlossen. Für die Dauer der Beurlaubung sollte der Kläger monatliche Vorruhestandsbezüge ent-sprechend dem VTV erhalten, deren Zahlung mit Beginn der Gewährung der gesetzlichen Altersrente eingestellt werden sollte.

Der Kläger begehrt die Steuerfreiheit der im Streitjahr 1999 gezahlten Vorruhestandsbezüge bis zu dem Höchstbetrag von 24.000,-- DM nach § 3 Nr. 9 EStG.

Er ist der Auffassung, es sei unerheblich, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet werden sollte. Dieses sei rechtlich nur eine leere Hülle gewesen. Die Wiederaufnahme der Tätigkeit sei ausdrücklich ausgeschlossen worden. Die Rechte und Pflichten ergäben sich aus dem Tarifvertrag. Das Arbeitsverhältnis sei allein im Hinblick auf die Zusatzversorgungskasse (ZVK) nicht beendet worden. Nach deren Satzung hätte ein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Beginn des Bezugs der gesetzlichen Altersrente Nachteile bei der Zusatzversorgung zur Folge. Allein zur Vermeidung dieser Nachteile sei der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses formal vereinbart worden.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des beklagten Finanzamtes vom 5.05.2000, sowie die Einspruchsentscheidung vom 16.11.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern den Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG in Höhe von DM 24.000,-- zu gewähren.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist der Auffassung, der vereinbarte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses stehe der Steuerfreiheit der Vorruhestandsleistungen nach § 3 Nr. 9 EStG entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Nach § 3 Nr. 9 EStG in der im Streitjahr 1999 geltenden Fassung sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochen Auflösung des Dienstverhältnisses bis zu einem nach Dauer der Betriebszugehörigkeit und Alter des Arbeitnehmers gestaffelten Höchstbetrag steuerfrei. Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit sind im Streitfall nicht erfüllt.

Der Senat kann offen lassen, ob die Vorruhestandsleistungen bereits deshalb nicht der Steuerfreiheit unterliegen, weil der Eintritt in den Vorruhestand nicht vom Arbeitgeber „veranlasst” wurde. Es bleibt dem Arbeitnehmer überlassen, ob er von dem Angebot Gebrauch macht oder nicht. Nach § 2 Ziff. 2 des VTV hat der Arbeitnehmer das Anliegen neun Monate vor dem gewünschten Beendigungstermin anzukündigen. Das Initiativrecht liegt damit eindeutig auf der Arbeitnehmerseite. Es erscheint dem Senat zweifelhaft, ob in Anbetracht dieser starken Stellung des Arbeitnehmers eine Veranlassung des Arbeitgebers allein in dessen Interesse gesehen werden kann, den Bestand an Mitarbeitern ohne Ausspruch von Kündigungen zu vermindern (so BFH-Urteil vom 11. Januar 1980 VI R 165/77 BFHE 129,479, BStBl. II 1980, 205).

Auf diese Frage kommt es jedoch im Streitfall nicht an, da es an der für die Gewährung der Steuerfreiheit erforderlichen Auflösung des Dienstverhältnisses fehlt.

Unter Auflösung des Dienstverhältnisses i.S.d. § 3 Nr. 9 EStG ist die nach bürgerlichem (Arbeits-) Recht wirksame Auflösung zu verstehen (BFH-Urteil vom 27. April 1994 XI R 41/93 BFHE 174, 352, BStBl. II 1994, 653). Eine derartige Auflösung haben die Arbeitsvertragsparteien aber gerade nicht vereinbart.

§ 2 Ziff. 1 VTV normiert als Anspruchsvoraussetzung für Vorruhestandsleistungen unter anderem, dass das Arbeitsverhältnis durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zum Zwecke der Inanspruchnahme von Vorruhestandsgeld beendigt ist. Nach der Vereinbarung vom 26.03.1998 zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber sollte das Arbeitsverhältnis abweichend von dieser Bestimmung nicht beendet werden.

Es ist unerheblich, dass eine Wiederaufnahme der Tätigkeit bis zum Beginn des Bezugs der gesetzlichen Alters...

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