Leitsatz

Der IV. Senat fragt beim XI. Senat an, ob er an der im Beschluss vom 17.10.1996, XI B 214/95 (BFH/NV 1997, 293) geäußerten Auffassung festhält, dass die Ähnlichkeit eines Heilhilfsberufs mit dem Beruf des in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Krankengymnasten voraussetzt, dass für die Ausübung dieses Berufs (auch) eine staatliche Erlaubnis erforderlich ist.

 

Normenkette

§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 2 Abs. 1 GewStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist ausgebildeter Musiker und hat sich von einem französischen Hals-Nasen-Ohren-Arzt über mehrere Jahre nach dessen Heilmethode zu einem Audio-Psycho-Phonologen ausbilden lassen. Die Methode basiert auf Erkenntnissen über die Zusammenhänge zwischen Hören und Sprechen sowie über den Einfluss des psychischen Befindens auf das Hören. Der Kläger erwarb ein Zertifikat über die Befähigung zur eigenständigen Behandlung von Patienten und betrieb im Streitjahr ein eigenes Behandlungsinstitut. Die Patienten suchten den Kläger überwiegend aufgrund ärztlicher Empfehlungen auf.

Das FA behandelte die Einkünfte des Klägers als solche aus Gewerbebetrieb, während sich der Kläger darauf berief, eine freiberufliche Tätigkeit auszuüben. Das FG gab dem Kläger Recht.

 

Entscheidung

Der IV. Senat des BFH hält es für möglich, dass der Kläger eine dem Krankengymnasten ähnliche Tätigkeit ausübt, woraus er freiberufliche Einkünfte beziehen würde. Weil dies eine Änderung der Rechtsprechung bedeuten würde und der XI. Senat bislang eine andere Auffassung vertreten hat, fragt der IV. Senat beim XI. Senat an, ob dieser an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten will.

 

Hinweis

1. Die Abgrenzung zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit ist wegen der Belastung mit GewSt auch nach Einführung der früheren Einkommensteuerermäßigung nach § 32c EStG, die im Besprechungsfall (Streitjahr 1994) anzuwenden war, und der jetzigen GewSt-Anrechnung nach § 35 EStG unverändert streitanfällig. Schwierigkeiten bereitet besonders die Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, wonach nicht nur die dort ausdrücklich genannten Berufe (Katalogberufe), sondern auch ähnliche Berufe zu Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit führen. Als ähnlich hat der BFH nur Berufe anerkannt, die hinsichtlich Ausbildung und praktischer Tätigkeit mit dem Katalogberuf vergleichbar sind. Setzt der Katalogberuf eine Erlaubnis voraus, verlangt der BFH eine Erlaubnis auch für den ähnlichen Beruf.

2. Im Bereich der medizinischen Berufe kann es danach kaum einen dem Arzt oder Heilpraktiker ähnlichen Beruf geben, es sei denn, der Gesetzgeber hätte ein entsprechendes Berufsbild einschließlich der Voraussetzungen für Ausbildung, Erteilung der Erlaubnis und Überwachung der Tätigkeit geregelt. An diesen engen Voraussetzungen hält der BFH auch weiter fest und beruft sich dabei auf die besondere Bedeutung qualifizierter heilkundlicher Betätigung.

Bei Heilhilfsberufen, wie dem im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Beruf des Krankengymnasten, werden ebenfalls hohe Anforderungen an die Qualifikation der Berufsträger gestellt. Bisher hatte der BFH verlangt, dass auch für diese Tätigkeit eine staatlich reglementierte Ausbildung existiert.

Mit dem hier besprochenen Anfragebeschluss will der IV. Senat von dieser Rechtsprechung abrücken. Er hält es jetzt für ausreichend, wenn der Berufstätige nach § 124 Abs. 2 SGB V die Voraussetzungen für eine Zulassung durch die gesetzlichen Krankenkassen als Erbringer von "Heilmitteln als Dienstleistung"erfüllt und eine berufsständische Erlaubnis zur Berufsausübung besitzt. Damit können auch Tätigkeiten als freiberuflich anerkannt werden, die sich neu entwickeln und noch nicht das Stadium einer staatlichen Anerkennung und Reglementierung erreicht haben.

3. Mit dem Anfragebeschluss ist noch keine abschließende Entscheidung über eine Ausweitung der ähnlichen Heilhilfsberufe gefallen. Zunächst muss der angefragte Senat mitteilen, ob er mit einer solchen Rechtsprechungsänderung einverstanden ist. Erklärt er sich nicht einverstanden, muss der Große Senat des BFH angerufen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 20.3.2003, IV R 69/00

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