Daneben kann der Steuerpflichtige nach § 32d Abs. 6 EStG die Günstigerprüfung beantragen. Ist der Steuersatz i.R.d. individuellen Veranlagungsverfahrens unter fiktiver Einbeziehung der Kapitaleinkünfte niedriger als 25 %, werden die Kapitaleinkünfte den anderen Einkünften des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen ESt unterworfen.

Beraterhinweis Bei der Beurteilung, ob die Berücksichtigung in der Veranlagung tatsächlich zu einem günstigen Ergebnis führt, ist nicht nur auf die festgesetzte ESt, sondern auf die gesamte Steuerbelastung – einschließlich Zuschlagsteuern (z.B. Solidaritätszuschlag) – abzustellen.

Verfahrenstechnisch wird im Veranlagungsverfahren die einbehaltene KapErtSt auf die festzusetzende ESt angerechnet und hat im Regelfall eine ESt-Erstattung zur Folge.

Im Falle der Antragsveranlagung findet nach § 32d Abs. 6 S. 2 EStG eine Berücksichtigung anrechenbarer ausländischer Steuern im Rahmen einer Höchstbetragsberechnung (zusätzliche tarifliche ESt, die auf die hinzugerechneten Kapitaleinkünfte entfällt) nach Maßgabe des § 32d Abs. 5 EStG statt[1].

[1] BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004: 017 – DOK 2015/0468306, EStB 2016, 97 (Apitz) = BStBl. I 2016, 85 Tz. 151.

1. Kein Abzug der tatsächlichen WK

Bei der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 S. 1 EStG kommt auch § 20 Abs. 9 S. 1 Halbs. 2 EStG zur Anwendung, so dass ein Abzug der tatsächlich entstandenen WK auch insoweit und ebenso wie im Abgeltungsverfahren nicht in Betracht kommt[2]. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 32d Abs. 6 S. 1 EStG, wonach "die nach § 20 EStG ermittelten Einkünfte" den Einkünften i.S.d. § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen ESt unterworfen werden, wenn dies zu einer niedrigeren ESt führt.

Verfassungsmäßigkeit: Sowohl § 32d Abs. 6 EStG als auch § 20 Abs. 9 EStG sind auch im Vergleich zu solchen Steuerpflichtigen, die kraft Gesetzes oder aufgrund eigenen Antrags nach § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1-4 EStG mit den dort geregelten Einkünften aus Kapitalvermögen aus der Abgeltungsteuer ausgeschlossen sind und nach § 32d Abs. 2 S. 2 EStG ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen unter Abzug der tatsächlich entstandenen WK ermitteln können, verfassungsgemäß[3].

Die Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber mit den vorstehenden Ausnahmen vom Abgeltungsteuersatz "Mitnahmeeffekte" bzw. eine Überbesteuerung vermeiden will[4]. Beachten Sie: Im Gegensatz dazu hat die Günstigerprüfung weniger den Charakter einer nach der Intention des Gesetzes zwingenden sachlichen Ausnahme von der Anwendung des Abgeltungsteuersatzes, sondern ist eher als Billigkeitsmaßnahme zu verstehen, mit der Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger liegt als 25 %, eine weitere Begünstigung erfahren.

Diese soll aber nicht dazu führen, dass die derart Begünstigten vollumfänglich aus dem System der Abgeltungsteuer ausscheiden. Schließlich ist die Ungleichbehandlung innerhalb des Systems der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen auch durch den Vereinfachungs- und Pauschalierungszweck der Regelung in § 20 Abs. 9 S. 1 EStG gerechtfertigt, der für den typischen Fall des Kleinanlegers über den Abzug des Sparer-Pauschbetrags auch im Fall der Günstigerprüfung zu einer realitätsgerechten Berücksichtigung der Aufwendungen führt[5].

2. Verlustausgleich

Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs: Im Fall der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG ist ein vertikaler Verlustausgleich, d.h. der Ausgleich negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen mit positiven tariflich zu besteuernden Einkünften aus anderen Einkunftsarten, ausgeschlossen. Beachten Sie: Insoweit kann nur der in § 20 Abs. 6 S. 3 EStG geregelte Verlustvortrag in Anspruch genommen werden, so dass negative Einkünfte aus Kapitalvermögen mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, die in folgenden Veranlagungszeiträumen erzielt werden, verrechnet werden können.

Möglichkeit des horizontalen Verlustausgleichs: Im Gegensatz dazu besteht aber nach Beantragung der Günstigerprüfung die Möglichkeit einer horizontalen Verlustverrechnung – also einer Verrechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, mit positiven tariflich besteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen[6]. Der Regelung des § 32d Abs. 6 S. 1 EStG ist nicht zu entnehmen, dass die nach § 20 EStG zu ermittelnden und den übrigen Einkünften hinzuzurechnenden Einkünfte aus Kapitalvermögen positiv sein müssen. Das Gesetz spricht nur von "Kapit...

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