FinMin Berlin, Erlaß v. 20.3.2008, III D - G 1163 a - 2/2007

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Das BVerwG hat seine Rechtsprechung, wonach in Fällen strukturell bedingter Ertragsminderungen von gewisser Dauer ein Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 GrStG nicht in Betracht komme, durch Beschluss vom 24.4.2007, BVerwG GmS-OGB 1/07 (Zeitschrift für Kommunalfinanzen – ZKF – 2007 S. 211) aufgegeben und sich der abweichenden Ansicht des BFH vom 26.2.2007, II R 5/05 (BStBl 2007 II S. 469) angeschlossen. Damit ist höchstrichterlich entschieden, dass der Erlass nach § 33 GrStG grundsätzlich auch für diese Fälle in Betracht kommt.

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Der BFH hat darüber hinaus, ohne dies dem gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte vorgelegt oder mit dem BVerwG abgestimmt zu haben, in dem Urteil die Auffassung vertreten, dass damit typische oder atypische, strukturell bedingte oder nicht strukturell bedingte, vorübergehende oder nicht vorübergehende Ertragsminderungen und die verschiedenen Möglichkeiten, diese Merkmale zu kombinieren, als Gründe zur Versagung eines Grundsteuererlasses ausscheiden. Diese Meinungsäußerung dürfte weitestgehend als ein nicht bindendes sog. obiter dictum anzusehen sein. Die meisten dieser vom BFH benannten Ertragsminderungsgründe waren in dem zu entscheidenden Einzelfall und den weiteren anhängigen Revisionsverfahren für die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 33 GrStG nicht relevant. Deshalb hatte der BFH dem gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte nur die Frage vorgelegt, ob strukturell bedingte Ertragsminderungen von gewisser Dauer den Erlass nach § 33 GrStG erlauben. Nur für diese Konstellation hat das BVerwG die Auffassung des BFH übernommen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die für die weitaus überwiegende Zahl der Rechtsstreite im Grundsteuerrecht zuständige Verwaltungsgerichtsbarkeit der darüber hinausgehenden nicht bindenden Meinungsäußerung des BFH nicht folgt. Die Entscheidungspraxis der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird daher zu beobachten sein.

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Wegen der in Berlin maßgeblichen Zuweisung der Verwaltung der Grundsteuer zur Steuerverwaltung und des damit zwingenden finanzgerichtlichen Rechtszuges ist allerdings davon auszugehen, dass das FG und ggf. der BFH in einschlägigen Fällen entsprechend dieser Meinungsäußerung entscheiden würden. Deshalb ist hier zur Vermeidung unnötiger Rechtsstreite der Rechtsauffassung des BFH zu folgen und der Grundsteuererlass nach § 33 GrStG bei bebauten Grundstücken grundsätzlich zu gewähren, wenn der normale Rohertrag um mehr als 20 % gemindert ist und der Grundstückseigentümer die Rohertragsminderung nicht zu vertreten hat.

 

1. Normaler Rohertrag

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Unter dem normalen Rohertrag eines bebauten, im Ertragswertverfahren zu bewertenden Grundstücks, ist nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG die Jahresrohmiete zu verstehen, die am Anfang des Kalenderjahres, für das die zu erlassende Steuer festgesetzt worden ist, maßgebend wäre.

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Jahresrohmiete ist nach § 79 Abs. 1 BewG das Gesamtentgelt, das für die Benutzung des Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten ist. Stehen das Grundstück oder Teile davon leer, gilt als Jahresrohmiete die übliche Miete, die in Anlehnung an die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlte Jahresrohmiete zu schätzen ist. Die übliche Miete gilt auch dann als Jahresrohmiete, wenn die Räume für eine um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden Miete vermietet sind.

 

2. Vertretenmüssen der Rohertragsminderung bei Leerstand

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Ein Grundsteuererlass nach § 33 GrStG wird nur gewährt, soweit eine Rohertragsminderung zu bejahen ist und diese vom Grundstückseigentümer nicht zu vertreten ist. Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, bedarf die Frage, in welchem Umfang eine Minderung des Rohertrags eingetreten ist, keiner näheren Aufklärung.

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Der Begriff des Vertretenmüssens i.S. von § 33 GrStG ist weit auszulegen. Er greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Es ist darauf abzustellen, ob es aufgrund vorangegangenen Verhaltens des Steuerpflichtigen schlechthin unbillig wäre, die geltend gemachten ertragsmindernden Umstände bei der Grundsteuerbelastung unberücksichtigt zu lassen (FG Berlin vom 26.2.2003, 2 K 2306/99 ; VG Düsseldorf vom 13.5.1985, ZKF 1986 S. 11).

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Der Steuerpflichtige hat nach Abschn. 38 Abs. 2 GrStR die Rohertragsminderung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines bebauten Grundstücks nicht zu vertreten, wenn die Umstände, die dazu führen, zwingend von außen in die Ertragslage eingegriffen haben und der Steuerpflichtige auf ihren Eintritt oder Nichteintritt keinen Einfluss hat. Das sind Umstände, die unabhängig von seinem Willen eintreten (BFH vom 7.5.1971, III R 65/69, zur Vermögensteuer, BStBl 1971 II S. 696). Dagegen hat er für Umstände einzustehen, die er selbst aufgrund freier Willensentschließung herbeigeführt hat (BFH...

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