Vorlagepflicht nach AStBV(St) an die BuStra: Wenn es darum geht zu erfahren, wie die Finanzbehörden mit Selbstanzeigen umgehen, sind natürlich die Anweisungen der Finanzverwaltung hierzu besonders nützlich. So enthalten die gleich lautenden Erlasse betr. Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) – AStBV(St) – vom 14.3.2022 (BStBl. I 2022, 251) unter Nr. 132 die Vorgabe, dass "Selbstanzeigen (§§ 371, 378 Abs. 3 AO), die als solche bezeichnet oder erkennbar sind, ... der BuStra zuzuleiten" sind. Das Gleiche gilt für andere Erklärungen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass zuvor durch unrichtige, unvollständige oder unterlassene Angaben gegenüber der Finanzbehörde vorsätzlich oder leichtfertig Steuern verkürzt wurden.

Keine Vorlagepflicht soll für Erklärungen gelten, die zweifelsfrei auf nachträglichen Erkenntnissen des Steuerpflichtigen beruhen (vgl. § 153 AO). Bei der Umsatz- und Lohnsteuer sollen berichtigte oder verspätet abgegebene Steuer(vor)anmeldungen nur in begründeten Einzelfällen (Nichtzahlung der Steuer, Sperrgründe i.S.d. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2 oder 4 AO) an die Bußgeld- und Strafsachenstelle weitergeleitet werden. Dies gilt nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen (§ 371 Abs. 2 a S. 3 AO). Berichtigte oder verspätet abgegebene Steuer(vor)anmeldungen nach Satz 1 führen nicht zum Sperrgrund der Tatentdeckung bei einer Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 371 Abs. 2 a S. 2 AO). Ein Zuschlag nach § 398a AO entsteht in diesen Fällen nicht (§ 371 Abs. 2 a S. 1 AO). Die fristgerechte Nachzahlung von Zinsen ist in diesen Fällen keine Wirksamkeitsvoraussetzung (§ 371 Abs. 3 S. 2 AO). Umstände, welche der Straf- oder Bußgeldfreiheit entgegenstehen könnten (§§ 371 Abs. 2, 378 Abs. 3 S. 1 AO), und in Fällen des § 371 Abs. 3 und des § 378 Abs. 3 S. 2 AO nachzuentrichtende oder zurückzuzahlende Beträge sind dabei jeweils mitzuteilen.

Weitere Regelungen finden sich in Nr. 11 AStBV(St). Hier wird an das Legalitätsprinzip erinnert. § 152 Abs. 2 StPO verpflichte die Strafverfolgungsbehörden dazu, im Rahmen ihrer Zuständigkeit wegen aller verfolgbaren Straftaten ohne Ansehen der Person einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Hierbei berufen sich die Anweisungsgeber auf ein Urteil des BFH, wonach zur Prüfung der Straffreiheit gem. § 371 Abs. 1 und 3 AO grundsätzlich ein Strafverfahren einzuleiten sei (BFH v. 29.4.2008 – VIII R 5/06, BFHE 222, 1 = BStBl. II 2008, 844 = AO-StB 2008, 302). Die Bußgeld- und Strafsachenstelle prüfe, ob die Angaben für eine wirksame Selbstanzeige ausreichen. Ist der Sachverhalt weiter aufklärungsbedürftig, habe die Bußgeld- und Strafsachenstelle die Ermittlungen selbst durchzuführen oder zu veranlassen.

Unzulässige Entscheidungsverlagerung: Auf den ersten Blick erstaunt der Hinweis auf eine finanzgerichtliche Entscheidung im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Problemstellung. Doch sind derartige Konstellationen ja nicht selten (vgl. dazu Bilsdorfer, Steuerstrafrecht – (auch) ein Thema im Steuerprozess, in Morsch/Hardenbicker (Hrsg.), Steuerrechtschutz in Theorie und Praxis, 75 Jahre Finanzgericht des Saarlandes, Saarbrücken, 2022, 141). Dennoch: Hier geht es im Ansatz um eine rein strafrechtlich orientierte Frage, nämlich um die Folgen einer Selbstanzeige nach § 371 AO. Auch wenn hieran steuerliche Folgen – wie etwa die Festsetzung von Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) – geknüpft sind, die Dominanz verlangt das Strafrecht (so auch Jäger in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 371 Rz. 108, der von der Prüfungskompetenz der zuständigen Ermittlungsbehörde spricht). Kommt es zu einem Sachverhalt, bei dem das Vorliegen des persönlichen Strafaufhebungsgrundes nach § 371 AO in Frage steht, so kann nicht etwa die Veranlagungsstelle hierüber entscheiden. Die Antwort darauf geben allein die Strafverfolgungsbehörden (BGH v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180; s. auch Geuenich, BB 2008, 2505 = AO-StB 2010, 195). Insoweit halten wir die Anweisung in Nr. 132 Abs. 2 AStBV(St), wonach "bei der Umsatz- und Lohnsteuer ... berichtigte oder verspätet abgegebene Steuer(vor)anmeldungen nur in begründeten Einzelfällen (Nichtzahlung der Steuer, Sperrgründe i. S. d. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2 oder 4 AO) an die Bußgeld- und Strafsachenstelle weiterzuleiten" seien, für bedenklich. Hier werden an anderer Stelle – nämlich von der Bußgeld- und Strafsachstelle bzw. der Staatsanwaltschaft – zu treffende Entscheidungen (vor)verlagert. Dies ist unzulässig.

Wenn indessen der Informationsaustausch von den unterschiedlichen Stellen der Finanzbehörden ausgehend (etwa den Veranlagungsdienststellen, der Vollstreckung oder aber der Außenprüfung) in ordnungsgemäßer Weise erfolgt, obliegt es den Strafverfolgungsbehörden, das weitere Procedere zu veranlassen.[5] Ist der Erkenntnisstand mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben so weit gediehen, dass eine abschließende (für den sich Anzeigenden positive) Entscheidung getroffen werden kann, dann lautet diese auf Einstel...

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