LfSt Bayern, 17.3.2015, G 1413.1.1 - 2/4 St 31/S 2140 - 6 St 3102

Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen durch die Gemeinde

Änderungen: Das Dokument wurde am 17.3.2015 inhaltlich geändert. Die Aussagen zu § 163 Satz 1 AO unter Tz. I. Ziff. 1. waren durch die Änderungen des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO i.d.F. des ZollkodexanpG anzupassen. Im Zuge dieser Änderung wurde auch die Richtlinienzitierung an das GewSt-Handbuch 2009 und an die aktuelle Fassung des GewStG angepasst.

Der geänderte Text ist in kursiver Schrift verfasst.

Das BMF-Schreiben vom 27.3.2003 (BStBl 2003 I S. 240) nimmt zur Frage der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen sowie zur Steuerstundung und zum Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen Stellung. Danach ist im Ergebnis vorgesehen, Sanierungsgewinne nach Verrechnung mit Verlusten oder negativen Einkünften nicht zu besteuern, damit insoweit kein Hindernis für sinnvolle Sanierungsmaßnahmen besteht.

 

I. Entscheidung der Gemeinden über eine abweichende Festsetzung des Steuermessbetrags nach § 163 AO

Entsprechend R 1.2 (1) GewStR 2009 und H.1.2 (1) und (2) GewStH 2009 obliegt die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer einschließlich Stundung, Niederschlagung und Erlass allein der hebeberechtigten Gemeinde. Diese Grundsätze werden durch das BMF-Schreiben vom 27.3.2003 nicht berührt (s. Rz. 15). Insbesondere hat die durch das Finanzamt getroffene Qualifizierung als Sanierungsgewinn keine bindende Wirkung im Hinblick auf mögliche Billigkeitsmaßnahmen durch die Gemeinde. Jede Gemeinde muss deshalb für Zwecke der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer in eigener Zuständigkeit prüfen, ob ein Sanierungsgewinn vorliegt und inwieweit eine sachliche oder persönliche Unbilligkeit für den Gewerbetreibenden anzunehmen ist.

Bei Sanierungsgewinnen ergibt sich im Ergebnis eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinde für Entscheidungen über eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO.

§ 163 Satz 1 und Satz 2 AO regeln folgende Fallgestaltungen einer abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen:

1. § 163 Satz 1 AO:

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuern nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

Die Befugnis des Finanzamts, Realsteuermessbeträge festzusetzen, schließt auch die Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 Satz 1 AO ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, der obersten Bundesfinanzbehörde oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind (vgl. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO).

Billigkeitsmaßnahmen in diesem Sinne sind im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen nach dem BMF-Schreiben vom 27.3.2003 nicht vorgesehen, so dass insoweit für das Finanzamt keine Befugnis zur abweichenden Festsetzung nach § 163 Satz 1 AO besteht.

Hinweis:

An dieser Auffassung hat sich auch nichts durch die Änderung des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO durch das ZollkodexanpG geändert. Siehe hierzu AO-Fachinfo Nr. 4-2015 vom 17.3.2015.

2. § 163 Satz 2 AO:

Nach § 163 Satz 2 AO kann mit Zustimmung des Steuerpflichtigen bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden. Insoweit ist zwischen der Zuständigkeit der Finanzämter und der Zuständigkeit der Gemeinden zu unterscheiden:

a) Finanzämter

Zwar würde nach § 184 Abs. 2 Satz 2 AO eine Maßnahme nach § 163 Satz 2 AO, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflusst, auch für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags wirken. Billigkeitsmaßnahmen in diesem Sinne, d.h. Billigkeitsmaßnahmen, die die gewerblichen Einkünfte beeinflussen und sich deshalb auch auf den Gewerbeertrag bzw. den Gewerbesteuermessbetrag auswirken, sind im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen nach dem BMF-Schreiben vom 27.3.2003 nur ausnahmsweise denkbar.

Soweit nach Rz. 8 Satz 2 des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 die Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen ist, geht es nach Rz. 8 Satz 3 darum, dass Verluste / negative Einkünfte unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen bis zur Höhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn zu verrechnen sind. Die dort beispielhaft genannten Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen: „insbesondere nach § 2 Abs. 3, § 2a, § 2b, § 10d, § 15a, § 23 Abs. 3 EStG” finden für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrags jedoch nur sehr eingeschränkte Anwendung.

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