Leitsatz

Eingetragene Lebenspartner sind bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Lohn- und Einkommensteuer vorläufig wie Ehegatten zu behandeln, entschied das FG Köln.

 

Sachverhalt

In einem aktuellen Fall vor dem Finanzgericht Köln ging es um die Frage, ob die männlichen Antragsteller einen Anspruch darauf haben, dass für sie auf ihren Lohnsteuerkarten die Steuerklasse IV unter Anwendung des Faktorverfahrens bescheinigt wird, obwohl sie nicht verheiratet sind, sondern in einer Lebenspartnerschaft leben. Das Finanzamt lehnte dies ab, wogegen die Antragsteller Einspruch einlegten und zugleich die Aussetzung der Vollziehung verlangten. Das Finanzamt teilte mit, dass die Einspruchsverfahren im Hinblick auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden zu den Aktenzeichen 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07 ruhen und lehnte er die gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung ab.

 

Entscheidung

Vor dem Finanzgericht hatten die Antragsteller Erfolg. Zwar haben die Antragsteller nach dem Wortlaut des EStG keinen Anspruch darauf, dass für sie die Steuerklasse IV auf ihrer Lohnsteuerkarte eingetragen werde. Denn § 38b Abs. 1 Nr. 4 EStG bestimmt, dass in die Steuerklasse IV diejenigen Arbeitnehmer gehören, die verheiratet sind (…). Im Streitfall seien die Antragsteller nicht verheiratet und somit auch keine Ehegatten.

Gleichwohl könne die Ablehnung des Finanzamts rechtswidrig sein, weil § 38b Abs. 1 Nr. 4 EStG verfassungswidrig sein könnte. Für eine Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift spreche die Entscheidung des BVerfG v. 21.7.2010, 1 BvR 611/07, 1 BVR 2464/07, BVerfGE 126 S. 400, BFH/NV 2010 S. 1985. In dieser Entscheidung hat das BVerfG die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung für verfassungswidrig erklärt. Es hat in dieser Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen. Damit habe das BVerfG zwar nicht eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt. Es liege nach Ansicht des Finanzgerichts aber eine vergleichbare Situation vor. Denn die Gründe, die das BVerfG dazu veranlassten, die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz als verfassungswidrig anzusehen, rechtfertigten es, diese Ungleichbehandlung auch im Einkommensteuerrecht und insbesondere bei der Versagung des Splittingtarifs als verfassungswidrig zu beurteilen. Aus diesem Grund könnten die beim BVerfG zu dieser Frage anhängigen Verfassungsbeschwerden erfolgreich sein. Dies genüge, um dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller im Streitfall den Vorrang gegenüber den öffentlichen Belangen einzuräumen.

 

Hinweis

Die Beurteilung des Finanzgerichts entspricht einer Vielzahl von weiteren finanzgerichtlichen Beschlüssen, die nach der Entscheidung des BVerfG ergangen sind [1]. In sämtlichen Beschlüssen wurde übereinstimmend die Ansicht vertreten, dass ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Partnern einer Lebenspartnerschaft von den Anwendungen der Regelungen über das Ehegatten-Splitting bestünden. Zwar hat der BFH einen der genannten Beschlüsse aufgehoben und gegenteilig entschieden (vgl. BFH, Beschluss v. 8.6.2011, III B 210/10). Die Entscheidung des BFH erfolgte aber aus anderen Gründen und ließ die materielle Rechtsfrage offen. Aufgrund der Entscheidung des BVerfG v. 21.7.2010, 1 BvR 611/07, 1 BVR 2464/07, BVerfGE 126 S. 400, BFH/NV 2010 S. 1985, könnten auch die aktuell beim BFH anhängigen Revisionsverfahren Az. III 36/10, III R 103/07, III R 83/06, III R 14/05, III R 13/05, III R 12/05, III R 11/05, die sich ausnahmslos gegen Urteile richten, in denen eine Zusammenveranlagung gleichgeschlechtlicher Personen abgelehnt wurde, für die Kläger jener Verfahren erfolgreich sein.

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Beschluss vom 07.12.2011, 4 V 2831/11

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