FinMin Nordrhein-Westfalen, 12.1.2016, S 0702 - 8f - V A 1

Bezug: Erlasse vom 26.1.2015 und 9.2.2015 (S 0702 – 8f – V A 1).

Zur Vermeidung etwaiger Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung der neuen verschärften Regelungen des o.g. Gesetzes bitte ich in Ergänzung und unter teilweiser Änderung meiner Bezugserlasse die nachfolgend aufgeführten Bearbeitungsgrundsätze zu beachten.

 

1. Zu § 371 Abs. 1 Satz 1 AO: „5 %-Grenze”

Nach dem BGH-Beschluss vom 25.7.2011 (Az.: 1 StR 631/10) ist eine versehentlich (undolos) unrichtig erstattete Selbstanzeige unschädlich, wenn der auf die falsch deklarierte/-n Besteuerungsgrundlage/-en entfallende Steuerbetrag einen Anteil von maximal 5 % der für den strafbefangenen Zeitraum insgesamt verkürzten Steuern nicht übersteigt. Eine dolos unrichtig erstattete Selbstanzeige würde nach der Rechtsprechung des BGH in jedem Fall die Unwirksamkeit der Selbstanzeige nach sich ziehen.

Behandlung:

Die Berechnung der 5 %-Grenze erfolgt für den gesamten Berichtigungszeitraum („10-Jahreszeitraum”). Die Unterscheidung zwischen dolos/undolos ist aufgrund des BGH-Beschlusses vom 25.7.2011 (Az.: 1 StR 631/10) vorzunehmen. Die Abweichungsregelung gilt daher nur für undolos unrichtige Selbstanzeigen.

 

2. Zu § 371 Abs. 1 Satz 1 AO: Solidaritätszuschlag als eigene Steuerart?

Gem. § 371 Abs. 1 Satz 1 AO umfasst die Nacherklärungspflicht alle Steuerstraftaten einer Steuerart. Fraglich ist, ob der Solidaritätszuschlag als eigene Steuerart zu qualifizieren und daher gesondert zu beurteilen ist.

Behandlung:

Im Rahmen der Nacherklärungspflicht nach § 371 Abs. 1 Satz 1 AO sind nur die Besteuerungsgrundlagen nachzuerklären. Der Solidaritätszuschlag als ein Annex zur Einkommensteuer muss daher nicht nacherklärt werden. Für die Berechnung der „25.000 EUR-Grenze” im Sinne des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 AO ist der Solidaritätszuschlag hingegen mit einzubeziehen.

 

3. Zu § 371 Abs. 1 Satz 1 AO: Konkurrenzverhältnis zu § 24 StGB

Die Vorschrift des § 24 Abs. 1 StGB (= Rücktritt vom Versuch) ist neben der Vorschrift des § 371 AO anwendbar. § 371 AO ist nicht als „lex specialis” vorrangig anzuwenden.

 

4. Zu § 371 Abs. 1 Satz 2 AO: „Berichtigungszeitraum 10 Jahre”

Mit der Neuregelung des § 371 Abs. 1 AO wurde folgende Formulierung als Satz 2 ergänzt:

„Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.”

Behandlung:

  1. Berechnung des „10-Jahreszeitraums”:

    Bei der Bestimmung des Zehn-Jahres-Zeitraums erfolgt keine taggenaue Abrechnung, die auf den Tag des Eingangs der Selbstanzeige abstellt, sondern es ist auf volle Kalenderjahre abzustellen. Danach ist auf die Steuerstraftaten der letzten zehn Kalenderjahre abzustellen, die dem Jahr des Eingangs der Selbstanzeige vorangehen. Damit von einer wirksamen Selbstanzeige ausgegangen werden kann, müssen auch die Steuerstraftaten, die im Kalenderjahr der Abgabe der Selbstanzeige begangen wurden, mit erklärt werden.

    Beispiel:

    Bei Abgabe einer Selbstanzeige in 2015 ist der Zeitraum 2005 bis 2015 maßgebend (= 2014 bis 2005 zzgl. Jahr des Eingangs der Selbstanzeige).

  2. In den „10-Jahreszeitraum” fallende Taten:

    Zur Bestimmung der in den maßgebenden Zeitraum fallenden Taten im Sinne des § 371 AO ist

    aa) grundsätzlich hinsichtlich des Zeitpunkts der Tatbegehung bei Abgabe einer falschen Erklärung in Anlehnung an § 8 StGB auf den Abgabezeitpunkt der Erklärung abzustellen und nicht auf den Zeitpunkt der Tatvollendung (Veranlagung).

    bb) bei Unterlassungsdelikten abweichend auf die Tatvollendung abzustellen [letztmalige Handlungsmöglichkeit (= Veranlagungsschluss), d.h. Abschluss der wesentlichen Veranlagungsarbeiten der entsprechenden Steuerart (95 %-Grenze)].

Entsprechende Vorgaben werden in die AStBV aufgenommen.

 

5. Zu § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a und c AO: „Sperrwirkung” (sachlicher und zeitlicher Umfang der Außenprüfung)

Nach der Neufassung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a AO beschränkt sich die Sperrwirkung in sachlicher und zeitlicher Hinsicht auf den Umfang der angekündigten Außenprüfung. § 371 Abs. 2 Satz 2 AO regelt, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige für Zeiträume und Steuerarten, die nicht von der angekündigten Außenprüfung umfasst sind, grundsätzlich möglich bleibt.

Behandlung:

Eine strafbefreiende Selbstanzeige bleibt für die Jahre, die nicht von der Prüfungsanordnung umfasst sind, möglich, wenn nicht einer der anderen Sperrgründe eingreift. Der Sperrgrund greift daher nicht aufgrund des Vollständigkeitsgebotes auch für darüber hinaus gehende Zeiträume. Die gesetzliche Regelung differenziert nicht nach Dauersachverhalten.

Beispiel:

Prüfungsanordnung für die Jahre 2008-2012, Steuerhinterziehung in 2007 mit Dauersachverhalt (mit Auswirkung auch auf spätere Jahre).

Eine Selbstanzeige allein für 2007 ist möglich. Zwar müssten aufgrund des Vollständigkeitsgebotes auch die Folgejahre angezeigt werden, für die jedoch die Sperrwirkung der Prüfungsanordnung grei...

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