Verweist der Gesellschaftsvertrag zur Ermittlung des Abfindungsguthabens auf das BewG insgesamt, findet das vereinfachte Ertragswertverfahren nach der Methodenhierarchie des BewG sowohl für die Wertermittlung der Beteiligung an einer Personengesellschaft als auch für die Kapitalgesellschaftsanteile nur nachrangig Anwendung, §§ 11 Abs. 2, 109 Abs. 2 Satz 2 BewG.

a) Priorität anderer Wertermittlungsmethoden

Bei der Vereinbarung einer Abfindungsklausel, die auf das BewG insgesamt verweist, müssen sich die Gesellschafter daher im Klaren sein, dass damit gerade nicht die ausschließliche Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens vereinbart ist. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BewG kann der maßgebliche gemeine Wert auch aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, abgeleitet werden. Sind in diesem Zeitraum keine Verkäufe an Dritte erfolgt, so kann der gemeine Wert entweder unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder unter Anwendung einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode ermittelt werden. Damit kommt insb. das Bewertungsverfahren nach IDW S 1 ins Spiel.

§ 199 BewG sieht vor, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Wertermittlung Anwendung finden "kann." Der Wortlaut schließt damit bereits aus, dass bei der Bewertung von Gesellschaftsanteilen oder Betriebsvermögen zwingend nach den §§ 200 ff. BewG vorzugehen ist. Nach der Gesetzesbegründung soll diese Kann-Vorschrift dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht ggü. der Finanzverwaltung einräumen (BT-Drucks. 16/11107, 26, zu § 199; R B 199.1 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2019). Im Gesellschaftsverhältnis zwischen dem ausscheidenden und den verbleibenden Gesellschaftern ist jedoch nicht eindeutig zu bestimmen, welcher Seite ein Wahlrecht zustehen sollte. Daher ist davon auszugehen, dass die Ausübung des Wahlrechts nur im Einvernehmen aller Beteiligter geschehen kann. Damit würde grundsätzlich das vereinfachte Ertragswertverfahren nur dann anzuwenden sein, wenn alle Beteiligten sich damit einverstanden erklären.

Beraterhinweis Diese Rechtsfolge kann in bestimmten Konstellationen gewollt sein, wird aber regelmäßig mit dem Interesse aller Gesellschafter kollidieren, eine einfache, kostengünstige und im Ergebnis vorhersehbare Bewertung zu ermöglichen. In diesem Fall ist zu überlegen, die Anwendung des BewG für die Abfindungsberechnung insoweit zu beschneiden, als das vereinfachte Ertragswertverfahren als Bewertungsmethode festgeschrieben wird. Denn eine automatische Anwendung dieses Verfahrens ist im BewG nicht vorausgesetzt.

b) § 199 BewG als Schlupfloch

Wünschen die Gesellschafter eine rechtssichere Abfindungsregelung auf Grundlage des vereinfachten Ertragswertfahrens mit wenig Streitpotential ist zudem zu überlegen, § 199 BewG auch in die entgegengesetzte Richtung abzubedingen oder zu modifizieren. Denn die Vorschrift dient bei der abgabenrechtlichen Bewertung von Kapitalgesellschaftsanteilen (Abs. 1) und Beteiligungen an Personengesellschaften (Abs. 2) als Öffnungsklausel. Danach ist das vereinfachte Ertragswertverfahren dann nicht anwendbar, wenn es "zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt." Die Geltung dieser Vorschrift i.R.d. gesellschaftsrechtlichen Bewertung eröffnet die Gelegenheit, den zunächst nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelten Wert anzugreifen.

Wann eine nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelte Abfindung ein "offensichtlich unzutreffendes" Ergebnis darstellt, ist nicht legaldefiniert (Riedel in Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG/BewG, 3. Aufl. 2017, § 199 BewG Rz. 3; Kreutziger in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG, 4. Aufl. 2018, § 199 Rz. 6; Heurung / Buhrandt / Gilson, ZErb 2016, 396 [398]). Zutreffend wendet die Literatur hier ein, dass zur Beantwortung der Frage, was ein "unzutreffendes" Ergebnis sei, zunächst einmal das zutreffende Ergebnis bekannt sein muss (Eisele in Rössler/Troll, BewG, Stand: 32. EL 9/2020, § 199 Rz. 7). Daher kann § 199 BewG im Streitfall zur Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens über den "richtigen Wert" führen (Vgl. Meyering StuW 2011, 274, 280). Nicht zur Erhellung trägt die Gesetzesbegründung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zu § 199 BewG (BT-Drucks. 16/11107, 26) bei (vgl. Piltz, DStR 2008, 745 [748]). Danach kommt ein "unzutreffendes Ergebnis" des vereinfachten Ertragswertverfahrens bspw. dann in Betracht, wenn sich i.R.v. Erbauseinandersetzungen oder aus zeitnahen Verkäufen nach dem Bewertungsstichtag, Erkenntnisse über den Wert des Unternehmens oder der Beteiligung herleiten lassen.

Ebenso ungeklärt ist schon für steuerliche Zwecke, wann ein unzutreffendes Ergebnis als "offensichtlich" zu gelten hat, insb. ob hierfür eine betragsmäßige Betrachtung stattfindet oder ob sich das Kriterium der "Offensichtlichkeit" auf die Methode bezieht. Die ErbStR 2019 (R B 199.1 Abs. 5, 6 ErbStR 2019) nennen einige sehr weit gefasste Beispielfälle, in denen eine Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens ausscheiden soll. Unklar ist allerdin...

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