Leitsatz

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB).

Im notariellen Kaufvertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung zum Preis von 405 700 DM befand sich folgende Klausel: "Geringfügige Änderungen der berechneten Wohnflächen nach oben oder unten können sich ergeben. Die endgültige Wohnfläche mindert weder den Kaufpreis noch rechtfertigt sie einen Zuschlag." Später stellte sich heraus, dass die im Verkaufsprospekt mit 102,5 qm angegebene Wohnfläche tatsächlich nur 90,48 qm betrug. Mit Rücksicht auf diese Abweichung ermäßigte die Verkäuferin den Kaufpreis auf 369 700 DM, wobei sie die tatsächliche Fläche von 90,48 qm um einen "Geringfügigkeitszuschlag" von 3 % auf 93,5 qm erhöhte und diese Fläche der Kaufpreisberechnung zugrundelegte. Damit wollte sich der Käufer nicht begnügen. Er hielt die Berücksichtigung eines Geringfügigkeitszuschlages für unberechtigt und verklagte die Verkäuferin auf Rückzahlung des darauf entfallenden Kaufpreisanteils. So auch der BGH:

Das Gericht ging von der gesetzlichen Regelung in § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, wonach eine nur unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit der Kaufsache außer Betracht bleibt. Es hatte die angeführte Vertragsklausel als bloße Wiederholung dieser gesetzlichen Regelung angesehen und daraus den Schluss gezogen, dass bei einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze die gesamte Minderfläche kaufpreismindernd zu berücksichtigen sei.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 22.10.1999, V ZR 398/98BGH, Urteil v. 22.10.1999, V ZR 398/98.

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