Leitsatz

Eine außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzwidrigkeit ist im Finanzgerichtsprozess seit In-Kraft-Treten des § 133a FGO zum 1.1.2005 generell nicht mehr statthaft.

 

Normenkette

§ 128 Abs. 1 und 4, § 133a FGO

 

Sachverhalt

Das FA hatte AdV eines Einkommensteuerbescheids nur gegen Sicherheitsleistung, im Verfahren vor dem FG aber ohne Sicherheitsleistung gewährt. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen auferlegte die Einzelrichterin dem Beschwerdeführer die Kosten des AdV-Verfahrens nach § 137 Satz 1 FGO, weil der Beschwerdeführer die eine Sicherheitsleistung ausschließenden Umstände erst im finanzgerichtlichen Verfahren glaubhaft gemacht habe.

 

Entscheidung

§ 128 Abs. 4 FGO schließt Beschwerden gegen isolierte Kostenentscheidungen aus.

Für eine gleichwohl eingelegte außerordentliche Beschwerde fehlt es an einer von Verfassungswegen unerlässlichen gesetzlichen Grundlage.

 

Hinweis

1. Nach In-Kraft-Treten des § 321a ZPO i.d.F. des ZPReformG vom 27.1.2001 hatten die obersten Gerichtshöfe des Bundes (BGH; BVerwG, BSG) einheitlich die Auffassung vertreten, außerordentliche Beschwerden seien generell unstatthaft. Der BFH hatte sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (BFH, Beschlüsse vom 5.12.2002, IV B 190/02, BFH-PR 2003, 155; vom 12.12.2002, V B 185/02, BFH-PR 2003, 156).

2. Unter Berufung auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG hatte der IV. Senat des BFH im Beschluss vom 13.5.2004, IV B 230/02, BFH-PR 2004, 411 später ausnahmsweise doch außerordentliche Beschwerden für statthaft erklärt.

3. Nach In-Kraft-Treten des Anhörungsrügengesetzes vom 9.12.2004, BGBl I 2004, 3220 zum 1.1.2005 hatten das BVerwG und das BSG zu den ausschließlich Verletzungen des rechtlichen Gehörs betreffenden, mit § 133a FGO inhaltsgleichen Regelungen in § 152a VwGO und § 178a SGG an dem generellen Ausschluss außerordentlichen Beschwerden festgehalten.

4. Der IV. Senat des BFH hat – allerdings nicht entscheidungserheblich – mit Beschluss vom 8.9.2005, IV B 42/05, BFH-PR 2006, 37 einen Bedarf für außerordentliche Beschwerden bei anderen schwerwiegenden Verletzungen von Verfahrensgrundrechten gesehen. Andere Senate des BFH hatten bereits vorher – ohne nähere Begründung – außerordentliche Beschwerden als unstatthaft beurteilt. Das nachgewiesene Schrifttum ist uneinheitlich.

5. Der VIII. Senat des BFH hat nunmehr nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben im Plenarbeschluss des BVerfG vom 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 416 und in Übereinstimmung mit dem BVerwG und BSG außerordentliche Beschwerden generell als unstatthaft beurteilt. Das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit schließt es aus, im Weg richterrechtlicher Rechtsfortbildung analog § 128 Abs. 1 FGO in Fällen sog. greifbarer Gesetzwidrigkeit doch wieder außerordentliche Beschwerden zuzulassen. In § 128 FGO ist das Beschwerderecht gegen bestimmte gerichtliche Entscheidungen in verfassungsrechtlich zulässiger Weise beschränkt. Überdies liege sowohl § 321a ZPO a.F. als auch den in sämtlichen Verfahrensordnungen inhaltsgleichen Regelungen der Anhörungsrüge das System der Selbstkontrolle durch das Ausgangsgericht zugrunde.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 30.11.2005, VIII B 181/05

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