Kommentar

Das Finanzamt hatte den Abzug der vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Werbungskosten-Überschüsse für die Jahre 1987 bis 1989 wegen Fehlens der Einkunftserzielungsabsicht zunächst abgelehnt. Den im Streitjahr 1990 erstmals erzielten Einnahmen-Überschuß ließ es aus demselben Grund ebenfalls außer Betracht. Später gelangte das Finanzamt zu der geläuterten Erkenntnis, daß der Steuerpflichtige doch eine Einkunftserzielungsabsicht besessen habe und erließ deshalb gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO geänderte ESt-Bescheide 1987 bis 1989, in denen es die Werbungskosten-Überschüsse nunmehr anerkannte. Gleichzeitig änderte es den bestandskräftigen ESt-Bescheid 1990 gemäß § 174 Abs. 4 AO dahin, daß die erklärten positiven Einkünfte angesetzt wurden. Einspruch, Klage und Revision des Steuerpflichtigen gegen diesen Änderungsbescheid blieben erfolglos.

Der BFH entschied: Erreicht der Steuerpflichtige wegen eines in einem Veranlagungszeitraum erzielten Einnahmen-Überschusses eine geänderte Beurteilung der Einkunftserzielungsabsicht und die Berücksichtigung von Werbungskosten-Überschüssen für die vorangegangenen Jahre, so kann das Finanzamt den bisher unberücksichtigt gebliebenen Einnahmen-Überschuß nachträglich durch Änderung des für diesen Veranlagungszeitraum bestandskräftig gewordenen Steuerbescheids nach § 174 Abs. 4 AO erfassen ( Änderungsvorschriften ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.02.1997, VIII R 54/95

Anmerkung:

Mit dieser Entscheidung hat sich der BFH gegen die von Teilen der Literatur (vgl. z. B. Tipke/Kruse, Kommentar, 16. Auflage, § 174 AO Tz. 16a und 16c) vertretene Ansicht ausgesprochen, § 174 Abs. 4 AO setze – ebenso die drei vorausgehenden Absätze des § 174 AO – zwingend ein wechselseitiges Ausschließlichkeitsverhältnis voraus, das nur die alternative Berücksichtigung desselben Sachverhalts gestatte.

Damit steht im Einklang, daß der BFH schon früher, betreffend allerdings den Fall des § 174 Abs. 5 AO i. V. m. § 174 Abs. 4 AO (Betroffenheit eines Dritten), geurteilt hatte, die Anwendung dieser Bestimmung hänge nicht von einer alternativen Berücksichtigung des Sachverhalts ab. Nach dem Wortlaut des § 174 Abs. 4 AO und § 174 Abs. 5 AO genüge es, daß derselbe Sachverhalt sowohl beim Steuerpflichtigen als auch bei einem Dritten erfaßt und dabei irrig beurteilt worden sei, ohne daß dabei die Rechtsfolgen übereinzustimmen brauchten . Nach Richtigstellung der rechtlichen Beurteilung zugunsten des einen Steuerpflichtigen könne damit korrespondierend aus dem einheitlichen Lebenssachverhalt die rechtliche Folgerung auch bei dem anderen Steuerpflichtigen im Wege der Änderung seiner bestandskräftigen Steuerfestsetzung gezogen werden (BFH, Urteil v. 24. 11. 1987, IX R 158/83, BStBl 1988 II S.404).

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