1.3.3.1 Ursprüngliche Rechtsprechung von RFH und BFH

 

Rz. 20

Auch die Finanzverwaltung hat sich der neuen Rechtsform nur zögernd angenommen. Zunächst hat sie sich jahrelang gegen eine Anerkennung gewehrt und dabei auch die Unterstützung der Steuergerichte gefunden. Man befürchtete Umgehungsmöglichkeiten und berief sich für die Ablehnung auf entsprechende formelle Vorschriften der RAO. So hat der RFH[1] noch 1929 z. B. den Grundsatz der Umgehung herausgestellt, allerdings der Finanzverwaltung die Beweislast hierfür aufgebürdet.

 

Rz. 21

In den späteren Entscheidungen sowohl des RFH wie des BFH geht es im Wesentlichen nur noch um einzelne und formelle Fragen zur Anerkennung, insbesondere darum, ob und bis zu welcher Grenze Regelungen zur Vermeidung von Steuern anzuerkennen sind.[2] Sie führten schließlich zu der Feststellung, dass es nicht als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts angesehen werden kann, wenn ausschließlich zum Zweck der Einsparung von Steuern eine bestimmte Unternehmensform gewählt wird. In den Urteilen seit 1956 geht der BFH grundsätzlich von der auch steuerlichen Anerkennung der GmbH & Co. aus.[3]

[1] RFH v. 13.3.1929, A 174/28, RStBl 1929, 329.
[2] Zu weiteren Einzelheiten Hesselmann/Tillmann, Handbuch der GmbH & Co., 2003, 3, 14; Klunzinger, Grundzüge des Gesellschaftsrechts, 2012, 315f.

1.3.3.2 Gepräge-Rechtsprechung des BFH

 

Rz. 22

In der Folgezeit hat der BFH in zahlreichen Einzelentscheidungen seine grundsätzliche Auffassung einerseits bestätigt, andererseits noch erweitert. Schließlich wurde die sog. Gepräge-Rspr. begründet.[1] Danach galt eine KG, an der eine GmbH als einziger Komplementär beteiligt war, immer als gewerbliches Unternehmen, ganz gleich, ob und wie sie sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligte. Die allein geschäftsführende GmbH sollte kraft ihrer eigenen Rechtsform als Kapitalgesellschaft das Bild der KG prägen. Damit wurden auch die anteiligen Einkünfte der anderen Beteiligten immer zu gewerblichen umqualifiziert und für die KG selbst die GewSt-Pflicht begründet. Die Finanzverwaltung hatte sich dem BFH schnell angeschlossen und die Gepräge-Grundsätze in die EStR aufgenommen.[2]

 

Rz. 23

In der Literatur war die Gepräge-Rspr. demgegenüber vielfach auf Kritik gestoßen. Angriffspunkte bildeten vor allem die fehlende gesetzliche Grundlage und eine Unvereinbarkeit mit § 15 EStG, der für gewerbliche Einkünfte auch eine gewerbliche Betätigung forderte. Die z. T. vehemente Ablehnung hat schließlich den IV. Senat des BFH, der die Grundsatzentscheidung v. 17.3.1966[3] selbst gefällt hatte, dazu bewogen, im Zusammenhang mit einer Publikums-GmbH & Co. KG (Rz. 60) auch die Frage der Umqualifizierung von Einkünften an den Großen Senat des BFH heranzutragen.[4]

 

Rz. 24

Der Große Senat hat darauf die Gepräge-Rspr. endgültig aufgegeben[5], weil sie mit den neueren Erkenntnissen zur ertragsteuerlichen Behandlung von Personengesellschaften unvereinbar war. Für die Bestimmung der Einkunftsart kam es danach auch bei einer GmbH & Co. KG allein auf die tatsächliche Betätigung der Gesellschaft als solche an. Das sollte selbst für eine vermögensverwaltende Personengesellschaft gelten, an der ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt sind (§ 15 EStG Rz. 174). Im Anschluss an die Entscheidung des Großen Senats haben der IV. und der VIII. Senat des BFH in einer Serie von Einzelfällen die Gewerblichkeit nicht gewerblicher Betätigungen und auch die GewSt-Pflicht der GmbH & Co. KG verneint. Damit galt die Gepräge-Rspr. auch nicht mehr für den Bereich der GewSt.

[1] BFH v. 17.3.1966, IV 233, 234/65, BStBl III 1966, 171.
[2] R 15.8 Abs. 6 EStR 2012; EStH 15.8 Abs. 6 2019.
[3] BFH v. 17.3.1966, IV 233, 234/65, BStBl III 1966, 171.

1.3.3.3 Gepräge-Gesetzgebung

 

Rz. 25

Die grundlegende Änderung der Rspr. zur Beurteilung der GmbH & Co. KG war für viele Beteiligte von Nachteil. Es entfiel z. B. die Möglichkeit, bei Beendigung der gewerblichen Tätigkeit eines Einzelunternehmers oder einer Personengesellschaft die Aufdeckung stiller Reserven – insbesondere im Grundbesitz – zu vermeiden, indem eine GmbH & Co. KG gegründet wurde, die unabhängig von ihrer tatsächlichen Tätigkeit gewerblich geprägt war. Mit der Ablehnung fiktiver Gewerblichkeit entfiel ertragsteuerliches Betriebsvermögen, sodass die Inanspruchnahme erhöhter Abschreibungen nach dem ZRFG oder dem BerlinFG sowie von InvZul ausgeschlossen waren. Damit war zugleich die erwünschte Förderung des sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbaus im damaligen Berlin (West) infrage gestellt. Aus diesem – vorwiegend politischen – Grund wurde durch Gesetz v. 14.12.1984[1] für vermögensverwaltende GmbH & Co. KG in Berlin (West) die Möglichkeit eröffnet, auf Antrag die Gewerblichkeit herzustellen (§ 52 Abs. 21 S. 7-11 EStG 1984).

 

Rz. 26

Darauf aufbauend wurden mit G. v. 19.12.1985[2] und der Einfügung eines neuen § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG die vom BFH aufgegebene Gepräge-Grundsätze allgemein gesetzli...

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