Rz. 10

Die Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG setzt an sich keine Antragstellung desjenigen, dem die Auszahlung zukommen soll, voraus. In der Praxis wird die Familienkasse indes nur auf Antrag tätig. Der Antragsteller muss im Einzelnen die Abzweigungsvoraussetzungen darlegen, insbesondere, dass der Berechtigte keinen Unterhalt leistet und er für den Unterhalt aufkommt.[1]

 

Rz. 11

Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen ("kann") der Familienkasse.[2] Regelmäßig ist im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Kindergelds das Ermessen dahin auszuüben, dass bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen eine Abzweigung erfolgt (sog. Ermessensreduktion auf Null).

Die Rspr. hatte Gelegenheit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wann eine Abzweigung ermessensgerecht ist:

  • Grundsätzlich kann der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kindergeld und dem tatsächlich geleisteten Unterhalt[3] abgezweigt werden. Kann die Höhe der tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen nicht ermittelt werden – auch nicht durch Schätzung –, kann es zulässig sein, diese Leistungen pauschal zu bewerten und das Kindergeld z. B. in hälftiger Höhe abzuzweigen.[4]
  • Wenn der Kindergeldberechtigte an das Kind lediglich Zahlungen an einen Dritten aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung entrichtet, die dem Kind nicht für den Lebensunterhalt zugute kommen.[5]
  • Hat der Kindergeldberechtigte Kontakt zu seinem in einem Heim untergebrachten Kind und betreut er es zeitweise, ist das Ermessen der Familienkasse nicht dahin reduziert, dass das Kindergeld in vollem Umfang an den Sozialleistungsträger ausbezahlt wird.[6]
  • Auch wenn der Kindergeldberechtigte neben den Leistungen des Sozialhilfeträgers nur geringe eigene Unterhaltsleistungen (Betreuung und glaubhaft gemachte Aufwendungen) für das Kind erbringt, ist die Ermessensentscheidung der Familienkasse, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an den Sozialhilfeträger abgezweigt wird, nicht dahingehend auf Null reduziert, dass das gesamte Kindergeld an den Sozialhilfeträger auszuzahlen ist.[7] Anders, wenn der Kindergeldberechtigte keine Aufwendungen für den Unterhalt[8] – etwa weil er Grundsicherungsleistungen für sich und das Kind erhält – oder die Kontaktpflege mit dem Kind trägt.[9]
 

Rz. 12

Die Entscheidung der Familienkasse über die Abzweigung ist ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung: Er ist einerseits begünstigend gegenüber dem Auszahlungsberechtigten, andererseits belastend gegenüber dem Kindergeldberechtigten.[10] Die Beteiligten sind nach § 91 AO vor einer Abzweigung zu hören. Die betroffenen Personen sind zum Verfahren notwendig hinzuzuziehen bzw. beizuladen (§ 360 Abs. 3 AO; § 60 Abs. 3 FGO). Dabei ist entweder der Kindergeldberechtigte zum Verfahren des die Abzweigung begehrenden Kindes bzw. eines Sozialleistungsträgers notwendig beizuladen oder das die Abzweigung begehrende Kind bzw. der Sozialleistungsträger zum Verfahren des Kindergeldberechtigten, wenn dieser den Abzweigungsbescheid anfechtet.[11] Dies gilt ebenso im Verfahren des Berechtigten gegen einen Abrechnungsbescheid.[12]

 

Rz. 13

Gegen die Anordnung kann der Kindergeldberechtigte Einspruch (§ 347 AO) einlegen, der Auszahlungsberechtigte, wenn die Auszahlungsanordnung aufgehoben wird oder in einer geringeren Höhe als beantragt verfügt wird oder überhaupt abgelehnt wird. Da die Abzweigung gegenstandslos wird, wenn die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kindergeldberechtigten aufgehoben wird[13], ist das Kind bzw. der Sozialleistungsempfänger befugt, sowohl gegen einen gegenüber ihm ergangenen Rückforderungsbescheid als auch gegen einen in diesem Zusammenhang gegenüber dem Kindergeldberechtigten ergangenen Aufhebungsbescheid zu klagen.[14] Der Kindergeldberechtigte ist zu einem solchen Verfahren notwendig beizuladen.[15]

 

Rz. 13a

Mit der Abzweigung wird nur der Anspruch auf Auszahlung des Kindergelds übertragen. Der Kindergeldanspruch selbst bleibt bei dem Berechtigten bestehen. Eine Abzweigung hat allerdings zur Folge, dass der Kindergeldberechtigte nicht mehr Leistungsempfänger ist. Dies wird der Abzweigungsempfänger. In der Folge ist auch nur der Abzweigungsempfänger zur Rückforderung unberechtigt bezogenen Kindergelds verpflichtet (§ 37 AO).[16] Denn nur der Abzweigungsempfänger, nicht der Kindergeldberechtigte, wird wirtschaftlich bereichert.[17] Anders ist es, wenn die Familienkasse lediglich auf Anweisung des Anspruchsberechtigten an einen Dritten leistet.[18]

Der Anspruch auf Abzweigung (oder Erstattung) ist mit der Auszahlung des Kindergelds an den Kindergeldberechtigten erloschen. Dies gilt auch dann, wenn der Abzweigungsantrag noch vor der Zahlung gestellt worden ist.[19] Der Abzweigungs- bzw. Erstattungsberechtigte muss seine Rechte gegenüber der Familienkasse im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes (Aussetzung der Vollziehung) geltend machen.[20]

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