9.1 Zeitpunkt der Reinvestition

 

Rz. 120

Die durch Veräußerung begünstigter Wirtschaftsgüter aufgedeckten stillen Reserven können auf Reinvestitionsgüter, die im Veräußerungsjahr oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr angeschafft oder hergestellt worden sind, übertragen werden (§ 6b Abs. 1 S. 1 EStG). Vorgezogene Anschaffungen oder Herstellungen werden begünstigt, weil die Sicherung eines störungsfreien Betriebsablaufs die Anschaffung eines neuen Anlageguts erforderlich machen kann, noch ehe die Altanlage veräußert wird. Diese Wirtschaftsgüter werden im Jahr der Veräußerung mit den um die AfA verkürzten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten erfasst. Der sich so ergebende Buchwert am Schluss des Wirtschaftsjahres der Anschaffung oder Herstellung bildet die Grundlage für den Abzug der begünstigten stillen Reserven (§ 6b Abs. 5 EStG), wodurch wiederum die AfA-Bemessungsgrundlage des Abzugsjahres und der Folgejahre reduziert wird (§ 6b Abs. 6 EStG; Rz. 88f.).

 

Rz. 121

Ein Rumpfwirtschaftsjahr ist in diesem Zusammenhang einem vollen Wirtschaftsjahr gleichzusetzen. Anschaffung liegt vor bei entgeltlichem Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut.[1] Unter Herstellung ist die Fertigstellung eines Wirtschaftsguts zu verstehen (§ 9a EStDV). Entscheidend ist, dass die Fertigstellung im Veräußerungsjahr erfolgt ist, der Beginn der Herstellung kann früher liegen. Zu welchem Zeitpunkt eine Bestellung erfolgt ist oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten tatsächlich aufgewendet werden, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

Nicht erforderlich ist, dass sich das Reinvestitionsgut in demselben Betrieb befindet wie das veräußerte Wirtschaftsgut. Die Übertragung kann auch auf Wirtschaftsgüter anderer Betriebe desselben Stpfl. erfolgen. Die Übertragungsverbote des § 6b Abs. 4 S. 2 EStG (Rz. 118) sind zu beachten.

9.2 Verminderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 6b Abs. 6)

 

Rz. 122

Nach § 6b Abs. 6 EStG gilt der Betrag, der nach Abzug der übertragenen stillen Reserven verbleibt, als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionsguts. Der um den Abzug verminderte Betrag bildet somit die Bemessungsgrundlage für Absetzungen (auch erhöhte) und Sonderabschreibungen auf das Reinvestitionsgut. Der verminderte Wertansatz ist dann in der Folgezeit fortzuführen.[1] Dadurch wird die steuerentlastende Wirkung dieser Begünstigungen vermindert. Diese Auswirkung macht den rechtlichen Charakter von § 6b EStG deutlich, dessen steuerentlastende Wirkung darin besteht, dass die in der Veräußerung zutage tretenden stillen Reserven nicht zugleich, sondern zeitlich gestreckt erfasst werden.

 

Rz. 123

§ 6b Abs. 6 EStG stellt klar, dass die Wirkungsbreite der Minderung begrenzt ist. Sie gilt nur für Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung (§ 7 EStG) einschließlich der Absetzungen für geringwertige Wirtschaftsgüter (nach § 6 Abs. 2 EStG). Die Verminderung gilt dagegen nicht für erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit es sich nicht um Fälle der Absetzungen für Abnutzung handelt. Nach § 6b Abs. 6 S. 2 EStG wird bei Gebäuden, die im Jahr vor der Veräußerung angeschafft wurden und die gem. § 7 Abs. 4 S. 1 oder Abs. 5 EStG abgeschrieben werden, die AfA-Bemessungsgrundlage nicht um die AfA des vorangegangenen Wirtschaftsjahres gekürzt. Die Vorjahres-AfA vermindert hier die Bemessungsgrundlage der künftigen AfA nicht.

9.3 Buchmäßige Behandlung

 

Rz. 124

Buchungstechnisch ist die Übertragung so abzuwickeln, dass die aufgedeckten stillen Reserven als außerordentlicher Ertrag und der übertragene und von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionsguts abzuziehende Betrag (max. 100 % der stillen Reserven) als Aufwand behandelt werden. Soweit sich Aufwand und Ertrag betragsmäßig decken, tritt eine Neutralisierung ein. Die Übertragung auf ein Wirtschaftsgut eines anderen Betriebs desselben Stpfl. geschieht nach H 6b.2 EStH 2022 in der Weise, dass der Veräußerungsgewinn in Höhe des zu übertragenden Betrags erfolgsneutral dem Kapitalkonto des veräußernden Betriebs hinzuzurechnen und ein Betrag in gleicher Höhe von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionsguts erfolgsneutral zulasten des Kapitalkontos des erwerbenden Betriebs abzusetzen ist.

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