Rz. 2

§ 6b EStG ermöglicht es Stpfl., Gewinne aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens steuerfrei in eine Rücklage einzustellen und diese Rücklage innerhalb von 4 Jahren ebenfalls steuerfrei auf neu angeschaffte oder hergestellte Ersatzwirtschaftsgüter zu übertragen. Damit kann der Stpfl. den beim Verkauf erzielten Gewinn neutralisieren und so eine sofortige Steuerzahlung vermeiden. Die Vorschrift bietet damit erhebliches Gestaltungspotenzial.

Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens werden in der Bilanz nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten, vermindert um die Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG, erfasst. Bei einer dauernden Wertminderung kann der niedrigere Teilwert angesetzt werden, nicht jedoch der – regelmäßig höhere – Verkaufswert. Dieser kann insbesondere durch Wertsteigerungen (z. B. höhere Grundstückspreise) oder durch zulässige Sonderabschreibungen oder erhöhte Absetzungen erwachsen. Die hierdurch entstehenden stillen Reserven werden erst bei Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen aufgedeckt. In Höhe der Differenz zwischen Buchwert und – bei Entnahme fiktivem – Verkaufserlös entsteht stpfl. Veräußerungsgewinn, der insbesondere bei Wirtschaftsgütern, die sich schon sehr lange im Betriebsvermögen befinden, und in Zeiten erheblicher Preissteigerungen ins Gewicht fällt. Besteuert wird dadurch nicht nur der in einer Periode zusammengeballte Gewinn, sondern aufgrund des Nominalwertprinzips ein wirtschaftlich nicht vorhandener (inflatorischer) Scheingewinn.[1] Das führt insbesondere bei einem hohen persönlichen Steuersatz zu einer problematischen, systemwidrigen Substanzbesteuerung, die der an die Bilanzansätze gebundene Stpfl. nicht beeinflussen kann. Die eintretende Steuerbelastung erschwert Reinvestitionen und behindert die volkswirtschaftlich erwünschte Anpassung der Wirtschaft an strukturelle Veränderungen produktionstechnischer und regionaler Art. Besonders deutlich wird dies, wenn Betriebe wegen zu knapper Erweiterungsflächen aus Ballungszentren in neu ausgewiesene Gewerbegebiete verlagert werden sollen. Zugleich erhoffte sich der Gesetzgeber eine Belebung des Veräußerungsverkehrs mit Grundstücken, da die wirtschaftlich gebotene und zur Auflockerung des Grundstückmarkts wünschenswerte Veräußerung betrieblich nicht mehr benötigter Grundstücke durch die Steuerbelastung häufig gehemmt werde.[2]

 

Rz. 3

Die mit dem StÄndG 1964[3] eingeführte Vorschrift des § 6b EStG soll der Wirtschaft die ökonomisch sinnvolle Anpassung an strukturelle Veränderungen erleichtern, indem auf eine sofortige Versteuerung der realisierten stillen Reserven verzichtet wird. Insoweit wurden die Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung geändert. Dabei stehen dem Stpfl. 2 Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Der bei Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter entstehende Gewinn kann von den Anschaffungskosten zeitnah erworbener Wirtschaftsgüter buchmäßig abgezogen werden.
  • Für den Fall, dass die Reinvestition erst später vorgenommen wird, kann eine zeitlich befristete Rücklage gebildet werden.

Die eigentliche Bedeutung der Vorschrift liegt darin, dass die auf die aufgedeckten stillen Reserven entfallenden Steuern im Ergebnis gestundet werden. Die Stundungswirkung erstreckt sich mindestens auf den Zeitraum bis zur Auflösung der Rücklage; im Übrigen wirkt sie je nach Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts, auf das die stillen Reserven übertragen worden sind. Je länger die Nutzungsdauer, desto stärker wirkt sich der Stundungseffekt aus. Diese Steuerstundung bewirkt eine Stützungsmaßnahme für volkswirtschaftlich gewünschte strukturelle Veränderungen nicht unbedingt desselben Betriebs (Rz. 15).

[1] Vgl. zu dieser Problematik auch BVerfG v. 19.12.1978, 1 BvR 335/76, BStBl II 1979, 308, 318f.
[2] BT-Drs. IV/2400, 62.
[3] BStBl I 1964, 553.

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