Rz. 8

Bei Aufnahme in einen gemeinsamen Haushalt mehrerer Berechtigter, der in Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat der EU liegen kann[1], kann die Anspruchskonkurrenz allein nach dem Obhutsprinzip nicht gelöst werden. Im Fall eines gemeinsamen Haushalts von Eltern (Hauptfall), einem Elternteil und dessen Ehegatten, von Pflegeeltern oder Großeltern, in den das Kind aufgenommen ist, bestimmen diese untereinander den vorrangig Berechtigten (§ 64 Abs. 2 S. 2 EStG). Mit der Bestimmung zur Berechtigung haben die Berechtigten die Möglichkeit, das Kindergeld demjenigen von ihnen zukommen zu lassen, bei dem sich aufgrund des Zählkindervorteils der höhere Kindergeldanspruch ergibt.

 

Rz. 9

Für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts sind die rechtlichen Beziehungen der Beteiligten untereinander nicht allein ausschlaggebend. Nicht entscheidend ist auch, wem Einrichtung und Hausrat gehören oder wer Eigentümer bzw. Mieter der gemeinsamen Wohnung ist. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob die Beteiligten gemeinsam, d. h. jeder zu einem gewissen Anteil, zum Unterhalt der Familie und damit des Kindes beitragen, wobei der eine Teil die Kosten tragen kann, während der andere Teil z. B. das Kind versorgt.

 

Rz. 10

Die erforderliche Bestimmung des Berechtigten geschieht durch übereinstimmende Willenserklärung gegenüber der nach § 67 EStG zuständigen Familienkasse. Ein besonderes Formerfordernis besteht nicht, sodass auch mündliche übereinstimmende Erklärungen ausreichen könnten. Zweckmäßig – und in der Praxis unverzichtbar – ist jedoch die schriftliche Bestimmung, wie sie in den Antragsvordrucken vorgesehen ist oder eine zur Niederschrift erklärte Bestimmung des Berechtigten.[2] Die Berechtigtenbestimmung bleibt bis zum Widerruf wirksam, der formlos und ohne Angabe von Gründen gegenüber der Familienkasse erklärt werden kann.[3] Die Praxis verlangt auch hier die schriftliche Erklärung.[4] Ein rückwirkender Widerruf ist nur möglich, soweit das Kindergeld für den zurückliegenden Zeitraum noch nicht festgesetzt worden ist; dies gilt selbst dann, wenn die Festsetzung aus anderen Gründen aufgehoben wurde.[5] Die Berechtigtenbestimmung wird unwirksam, wenn die Voraussetzungen für die Erklärung wegfallen, z. B. wenn das Kind den gemeinsamen Haushalt verlässt.[6]

 

Rz. 11

In den seltenen Fällen, in denen – aus welchen Gründen auch immer – eine übereinstimmende Bestimmung nicht getroffen wird, bestimmt das Familiengericht auf Antrag den vorrangig Berechtigten als Auszahlungsberechtigten. Auszahlungsberechtigter kann nur einer der Anspruchsberechtigten gem. § 64 Abs. 2 S. 2 EStG sein. Eine Aufteilung auf beide Anspruchsberechtigte ist ausgeschlossen. Die Familienkasse muss an dem Vorrangbestimmungsverfahren des Familiengerichts nach § 64 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 4 EStG mitwirken, indem sie gegenüber dem Familiengericht diejenigen gleichrangig Kindergeldberechtigten benennt, aus denen das Familiengericht den vorrangig Kindergeldberechtigten auswählen muss.[7] Dabei kann ein Antrag auf Berechtigtenbestimmung erst gestellt werden, nachdem die Familienkasse oder im Streitfall das FG festgestellt hat, dass eine Mehrzahl von Anspruchsberechtigten gegeben ist.[8]

 

Rz. 12

Für das Verfahren vor dem Familiengericht gilt das FamFG, nicht die AO. Zuständig sind die Amtsgerichte. Die Geschäfte sind regelmäßig dem Rechtspfleger zu übertragen. Das Familiengericht entscheidet durch Beschluss. Eine Bestimmung kann auch rückwirkend erfolgen. Gegen die Entscheidung (Verfügung) des Rechtspflegers ist die Beschwerde an den Richter gegeben (§§ 58ff. FamFG). U. U. kann gegen die Entscheidung des Gerichts dann Rechtsbeschwerde eingelegt werden (§§ 70ff. FamFG).

 

Rz. 13

Aus § 64 Abs. 2 EStG lässt sich nicht unmittelbar entnehmen, nach welchen Grundsätzen das Familiengericht zu entscheiden hat. Aus dem Sinn der Berechtigtenbestimmung folgt jedoch, dass ausschlaggebend sein muss, wer die tatsächliche Sorge für das Kind trägt und damit die Gewähr dafür bietet, dass das Kindergeld zum Wohl des Kindes verwandt wird.

 

Rz. 14

Die Tätigkeit des Familiengerichts setzt einen Antrag voraus. Die Befugnis zur Antragstellung entspricht § 67 Abs. 1 S. 2 EStG. Das berechtigte Interesse an der Zahlung des Kindergelds ist nachzuweisen. Ein berechtigtes Interesse haben alle Personen, die in einer persönlichen Beziehung zu dem Kind oder zu dem Berechtigten stehen oder verpflichtet sind, die Belange des Kindes wahrzunehmen, insbesondere diejenigen, die dem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet sind oder zu deren Gunsten eine Auszahlung des Kindergelds erfolgen könnte (§§ 74, 76 EStG; vgl. § 67 EStG Rz. 14).

[2] A 25. 1 Abs. 2 DA-KG 2016.
[4] A 25.1. Abs. 4 S. 4 Da-KG 2016.
[6] BFH v. 15.1.2014, V B 31/13, BFH/NV 2014, 522; A 25.1 Abs. 4 S. 2 DA-KG 2016.
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