1 Allgemeines

1.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde durch das JStG 1996 im Zusammenhang mit der Umgestaltung des bisherigen Kinderlastenausgleichs zum sog. Familienleistungsausgleich mit Geltung ab Vz 1996 eingefügt (zur Rechtsentwicklung s. § 31 EStG Rz. 3ff.). Das JStErgG 1996 v. 18.12.1995[1] dehnte die bisherige Beschränkung auf Inlandskinder auf Kinder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der EU und im EWR-Raum aus. Das JStG 1997 v. 20.12.1996[2] erweiterte die entsprechende Anwendung des § 32 EStG in § 63 Abs. 1 S. 2 EStG auf § 32 Abs. 3 EStG. Durch das 2. FamFG v. 16.8.2001[3] wurde Abs. 1 um S. 4 ergänzt, um eine Doppelberücksichtigung nach dem EStG und dem BKKG (heute: BKGG) auszuschließen. Die Bundesregierung hat von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Abs. 4 keinen Gebrauch gemacht.

Mit dem G. zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften v. 2.12.2014[4] soll Missbrauch bei dem Bezug von Kindergeld vermieden werden. Zu diesem Zweck müssen sich der Kindergeldberechtigte (§ 62 Abs. 1 S. 2-3 EStG) und dessen zum Kindergeldbezug berechtigte Kinder mit ihrer jeweiligen IDNr identifizieren (§ 63 Abs. 1 S. 3–5 EStG). Die Neuregelung trat am 9.12.2014 in Kraft. Anzuwenden ist die Regelung ab Januar 2016 und gilt auch für davorliegende Zeiträume, wenn der Kindergeldantrag erst ab Januar 2016 gestellt wird.

[1] BGBl I 1995, 1959.
[2] BGBl I 1996, 2049.
[3] BStBl I 2001, 533.
[4] BGBl I 2014, 1922.

1.2 Bedeutung

 

Rz. 2

Die Regelung entspricht im Wesentlichen § 2 BKKG a. F.[1] § 62 EStG legt die Anspruchsvoraussetzungen in der Person des Kindergeldberechtigten fest. § 63 EStG umschreibt, welche Gruppen von Kindern bei Anspruchsberechtigten i. S. v. § 62 EStG zu berücksichtigen sind. Die Anknüpfung in § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG an den Kindbegriff des § 32 Abs. 1 EStG (im ersten Grad verwandte Kinder und Pflegekinder) bezweckt die weitgehende Vereinfachung und Vereinheitlichung des Familienleistungsausgleichsverfahrens.

Über § 32 Abs. 1 EStG hinaus werden nach § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 EStG aber auch in den Haushalt aufgenommene Stiefkinder und Enkelkinder berücksichtigt. Für diese Kinder besteht nach § 32 Abs. 6 EStG auf Antrag die Möglichkeit der Übertragung des Kinderfreibetrags sowie des einheitlichen Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsfreibetrags auf den Stiefeltern- oder auf den Großelternteil mit der Folge, dass sich Freibeträge und Kindergeld wieder entsprechen (s. § 32 EStG Rz. 136ff.). Durch die entsprechende Anwendung von § 32 Abs. 3 bis 5 EStG aufgrund der Verweisung in § 63 Abs. 1 S. 2 EStG werden die weiteren Berücksichtigungsvoraussetzungen (Lebensalter, Berufsausbildung, Übergangszeiten, Behinderung, Einkünfte- und Bezügegrenze bis 2011, Verlängerungstatbestände) festgelegt. Im Gegensatz zum Freibetragsrecht sind Kinder, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland oder EU-/EWR-Raum haben, von der Berücksichtigung ausgeschlossen. Für diese Kinder stehen Eltern nur die – ggf. nach der Ländergruppeneinteilung[2] ermäßigten – Freibeträge nach § 32 Abs. 6 S. 4 EStG zu (s. § 32 EStG Rz. 122ff.).

Geschwister können nur noch unter der Voraussetzung eines Pflegekindschaftsverhältnisses berücksichtigt werden (§ 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG); zu Geschwistern als Pflegekinder s. § 32 EStG Rz. 24.

 

Rz. 3

Ein bei einem Anspruchsberechtigten nach § 63 Abs. 1 EStG zu berücksichtigendes Kind ist ein sog. "Zählkind". Ein Zählkindschaftsverhältnis ist notwendige, aber nicht ausreichende Voraussetzung für die tatsächliche Auszahlung des Kindergelds (dann sog. "Zahlkind"). Ein Kind wird als Zählkind bezeichnet, wenn es nach Abs. 1 zwar zu berücksichtigen ist, gleichwohl aber kein Kindergeld zu zahlen ist, weil der Anspruch vorrangig einer anderen Person zusteht (§ 64 Abs. 2, 3 EStG) oder ein Ausschlusstatbestand nach § 65 EStG bzw. nach über- oder zwischenstaatlichem Recht greift.[3] Bei der Bestimmung der Reihenfolge der Geburten, die sich auf die Höhe des Kindergelds auswirkt (§ 66 Abs. 1 EStG), sind die Zählkinder zu berücksichtigen, sodass sich der Anspruch für jüngere Zahlkinder erhöhen kann (s. § 66 Rz. 4 EStG).

2 Zu berücksichtigende Kinder (Abs. 1 S. 1)

2.1 Kinder i. S. d. § 32 Abs. 1 EStG (Abs. 1 S. 1 Nr. 1)

 

Rz. 4

Kinder, die im ersten Grad mit dem Anspruchsberechtigten verwandt sind (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG), sind eheliche, für ehelich erklärte und nichteheliche Kinder. Angenommene Kinder (Adoptivkinder) gelten rechtlich als im ersten Grad verwandt (§ 32 EStG Rz. 11ff.). Die Aufnahme in den Haushalt spielt hier keine Rolle; die Haushaltsaufnahme wird nur bei der Anspruchskonkurrenz mehrerer Berechtigter herangezogen (§ 64 Abs. 2 EStG). Ein Kindergeldanspruch entsteht erst ab der Geburt des Kindes. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.[1]

Der Begriff des Pflegekindes ist in § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG definiert. Zu den Voraussetzungen im Einzelnen...

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