Rz. 162

Der praktisch wohl häufigste Fall der Anwendung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG (und wohl auch der Fall, der den Gesetzgeber zur Schaffung der Vorschrift veranlasst hat) ist der Fall der Beteiligung eines unbeschränkt Stpfl. an einer ausl. Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft), wenn in DBA-Fällen Sondervergütungen (insbes. Darlehenszinsen) von der Personengesellschaft gezahlt werden. Problematisch ist, ob die Sondervergütungen, wie es im nationalen Recht § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG vorschreibt, zu den Betriebsstätteneinkünften der Personengesellschaft gehören und sich das Besteuerungsrecht daher nach Art. 7 OECD-MA richtet, oder ob Art. 6, 11 oder 12 OECD-MA anzuwenden ist (zur Problematik dieser Fälle Rz. 193).[1] Der Gesetzgeber hat im Wege des Treaty Override in § 50d Abs. 10 EStG entschieden, dass diese Vergütungen der Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen sind und sich das Besteuerungsrecht daher nach Art. 7 OECD-MA richtet. Dies könnte aber infolge eines Qualifikationskonfliktes zu unbesteuerten Einkünften führen, wenn die Personengesellschaft im Ausland ansässig ist, da dann Deutschland das Besteuerungsrecht wegen des Betriebsstättenprinzips bei dem ausl. Staat, der ausl. Staat aber wegen Art. 11, 12 OECD-MA das Besteuerungsrecht bei Deutschland sieht. Um insoweit unbesteuerte Einkünfte zu vermeiden, verweist § 50d Abs. 10 S. 8 EStG auf § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG. Wenn der ausl. Staat die Sondervergütungen wegen seiner abweichenden Auslegung des DBA nicht besteuert, nimmt Deutschland das Besteuerungsrecht in Anspruch (S. Rz. 249).

 

Rz. 163

Zu einer Anwendung des Abs. 9 Nr. 1 kann es auch kommen, wenn der ausl. Staat die Personengesellschaft als Kapitalgesellschaft besteuert (z. B. Spanien; mittel- und osteuropäische Staaten). Dann kann eine Veräußerung der Beteiligung an der Personengesellschaft durch einen unbeschränkt Stpfl. zur Nichtbesteuerung des Veräußerungsgewinns führen. Die Bundesrepublik sieht den Veräußerungsgewinn als Teil der Einkünfte aus der Personengesellschaft an, für die das Betriebsstättenprinzip nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA gilt, und würde daher die Freistellungsmethode anwenden. Der ausl. Staat würde die Einkünfte als Einkünfte aus der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung qualifizieren, für die nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA regelmäßig der Ansässigkeitsstaat (also die Bundesrepublik) das Besteuerungsrecht hätte.[2] Damit liegt ein Qualifikationskonflikt durch die Anwendung des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA einerseits und des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA andererseits vor, der zur Anwendung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG führt. Für einen entsprechenden Qualifikationskonflikt, wenn eine Personengesellschaft nach § 1a KStG zur KSt optiert hat, ist Abs. 14 angefügt worden S. Rz. 326ff.).

 

Rz. 164

Ein weiterer Fall eines Qualifikationskonflikts wäre die Behandlung einer atypischen stillen Gesellschaft, bei der die Bundesrepublik zu einer Qualifikation als Mitunternehmerschaft und damit als (ausländische) Betriebsstätteneinkünfte kommt und daher die Freistellungsmethode anwendet, während der Quellenstaat die Einkünfte als Zinsen qualifiziert und daher nur ein beschränktes Quellensteuerrecht in Anspruch nimmt.[3]

 

Rz. 165

Ein weiteres Beispiel bildeten in der Vergangenheit Einkünfte aus einer ausl. vermögensverwaltenden Personengesellschaft, die die Finanzverwaltung der Bundesrepublik aufgrund gewerblicher Prägung als gewerbliche Einkünfte einstuft. Die Bundesrepublik als Staat der unbeschränkten Steuerpflicht des Gesellschafters würde ausgehend von dem nationalen Recht Art. 7 OECD-MA und daher das Betriebsstättenprinzip und die Freistellungsmethode anwenden, während der ausl. Quellenstaat Einkünfte aus Zinsen, Dividenden o. Ä. annehmen und daher nur ein beschr. Steuerrecht in Anspruch nehmen würde. Dieser Fall führt jedoch nicht mehr zu einem Qualifikationskonflikt, nachdem der BFH das nationale Recht nicht auf die DBA hat "durchschlagen" lassen und die Ansicht, eine gewerbliche Prägung einer originär vermögensverwaltenden Personengesellschaft führe zur Anwendung des Art. 7 OECD-MA, zurückgewiesen hat.[4] Die Finanzverwaltung hat diese Ansicht übernommen.[5] Das gilt auch für die gewerblichen Einkünfte einer Besitz-Personengesellschaft. Da nunmehr auch Deutschland, wie auch der Quellenstaat, je nach Lage des Falles, Art. 6, 1013, 15 oder 21 OECD-MA anwendet, nicht Art. 7 OECD-MA, liegt kein Qualifikationskonflikt mehr vor. § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG ist auf diese Fälle nicht anwendbar, und zwar selbst dann nicht, wenn der Quellenstaat die Einkünfte aus anderen Gründen als eines Qualifikationskonflikts nicht besteuert.

 

Rz. 166

Anwendbar kann die Vorschrift auch bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung sein, wenn beteiligte Gesellschafter oder Vermögensteile im Inland belegen sind.[6] Sind in diesem Fall die Voraussetzungen einer steuerneutralen Umwandlung nicht erfüllt, und nimmt der ausl. Staat infolge einer abweichenden Einkünftequalifikation das ihm nach deutscher Auffassung zusteh...

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