Rz. 21

Die Umsetzung des § 45b Abs. 2 Nr. 5 EStG ist von den depotführenden Stellen in der Praxis aus tatsächlichen Gründen schwierig durchführbar:

  • Die depotführenden Stellen haben nur dann Kenntnis darüber, ob und mit welchem Inhalt der Kunde ein Wertpapierleihgeschäft oder Wertpapierpensionsgeschäft mit einer anderen Person abgeschlossen hat, wenn sie selbst Vertragspartner des Geschäfts sind. Eine Wertpapierleihe ist zudem bei der Abwicklung von einem normalen Depotübertrag nicht zu unterscheiden, da Stücke einfach nur per Depotein- oder -ausgang in das oder aus dem Depot gebucht werden. Dies spiegelt sich auch in Rz. 170 des Anwendungsschreibens zur Abgeltungsteuer[1] wider. Dort ist geregelt, dass "unabhängig von der zivilrechtlichen Abwicklung einkommensteuerrechtlich in allen Varianten ein Depotübertrag auf einen anderen Gläubiger (Depot des Verleihers auf Depot des Entleihers) vor(liegt), der nach § 43 Abs. 1 S. 4 EStG als Veräußerung fingiert wird."
  • Ist das Kreditinstitut nicht selbst Vertragspartner der Wertpapierleihe/des Wertpapierpensionsgeschäfts des Kunden, können daher auch keine Angaben darüber gemacht werden, ob zwischen den Parteien eine Lieferung mit oder ohne Dividendenanspruch vereinbart wurde. Das depotführende Kreditinstitut übernimmt in diesen Fällen bei Wertpapierleihgeschäften lediglich die Verbuchung von Stücken im Depot, ohne Kenntnis über das der Übertragung zugrunde liegende Rechtsgeschäft zu haben. Darüber hinaus hat ein Kreditinstitut auch – wenn es nicht selbst Vertragspartner der Wertpapierleihe ist – keinerlei Kenntnis über die weiteren Vertragsgestaltungen des Kunden, sodass keine Angabe gemacht werden kann, ob zwischen den Parteien eine Lieferung mit oder ohne Dividendenanspruch vereinbart wurde.
  • Schließlich ist eine solche Ermittlungspflicht in einem Masseverfahren nicht administrierbar: Von jedem Kunden, der inländische Aktien in seinem Depot hält, müsste zu jedem Dividendenstichtag ein umfassender Fragenkatalog beantwortet werden, der genaue Auskunft darüber gibt, ob die Wertpapiere in seinem Bestand geliehen sind oder nicht, und in welchem die übrigen Angaben, z. B. zum vereinbarten Abwicklungsstichtag aufgenommen werden müssten.
  • Kreditinstitute können im Massengeschäft keine Überprüfung von einzelnen Fallkonstellationen ihrer Kunden vornehmen (etwa durch Sichtung von Wertpapierleihverträgen), die diese mit anderen Personen abgeschlossen haben. Zudem stellt sich ergänzend die Frage, ob die Kunden dem depotführenden Kreditinstitut diese Verträge ohne eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung zur Verfügung stellen müssen bzw. würden (Datenschutz nach der DS-GVO).
  • Es existiert keine gesetzliche Verpflichtung des Kunden, dem depotführenden Kreditinstitut mitzuteilen, ob er ein Wertpapierleihgeschäft getätigt hat. Die Ermittlung eines solchen Sachverhalts fällt vielmehr in den Aufgabenbereich der Finanzverwaltung. Die Aufklärung einzelner Fallkonstellationen sollte zwischen den Kunden und deren Finanzämtern bzw. dem BZSt stattfinden.
 

Rz. 21a

Aus Sicht der Praxis bleibt zudem bisher unklar und bedarf einer dringenden Klärung durch das BZSt,

  • ob sich die Angabepflicht zur Lieferung mit oder ohne Dividendenanspruch sich auf die gesamten Bestände bezieht oder nur auf den Wertpapierleihe/Wertpapier-Pensionsgeschäft-Teilbestand;
  • Wie ist das Verhältnis zur Fiktion einer Veräußerung, wenn bekannt ist, dass eine Wertpapierleihe vorliegt? In der Konsequenz müsste dann auf die Fiktion einer Veräußerung verzichtet werden;
  • Wie ist in Fällen vorzugehen, in denen es keine Anhaltspunkte gibt, dass einem Übertrag ein Wertpapierleihgeschäft (beim Kunden) zugrunde liegt, beispielsweise beim Depotübertrag ohne Gläubigerwechsel? Kann in diesen Fällen davon ausgegangen werden, dass die Wertpapiere nicht auf Grundlage einer Wertpapierleihe übertragen wurden.
 
Hinweis

Zeitpunkt der Information über das Vorliegen eines Wertpapierleihgeschäfts

Zukünftig muss nach § 45b Abs. 2 Nr. 5 EStG die Information über das Vorliegen eines Wertpapierleihgeschäfts im Zusammenhang mit einer Wertpapierübertragung weitergegeben werden. Dies gilt auch für Depotüberträge. Das Tax-Box-Verfahren muss um diese Angaben erweitert werden, ein entsprechender Zeitvorlauf ist notwendig. Dies gilt gleichermaßen für Depotüberträge aus dem Ausland, die nicht am Tax-Box-Verfahren teilnehmen. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle EU Staaten das FiFo-Verfahren anwenden und nur für Deptoeingänge ab 1.1.2025 eine Umsetzung erfolgen kann. Für Depotüberträge aus Drittstaaten gibt es derzeit kein passendes Verfahren.

[1] BMF v. 18.1.2016, IV C 1 – S 2252/08/10004:017, Rz. 170, BStBl I 2016, 85, neu gefasst durch BMF v. 19.5.2022, IV C 1 – S 2252/19/10003:009, Rz. 170ff., BStBl I 2022, 742.

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