Rz. 801

Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG i. d. F. des Gesetzes v. 8.12.2010[1] sind Aufwendungen für ein betrieblich oder beruflich veranlasstes häusliches Arbeitszimmer ab Vz 2007 (Rz. 781) nur noch in voller Höhe abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit bildet.

 

Rz. 802

Ob das Arbeitszimmer der Mittelpunkt der gesamten beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit des Stpfl. ist, richtet sich danach, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse und der Merkmale der Tätigkeit des Stpfl. in dem Arbeitszimmer diejenigen Tätigkeiten vorgenommen und Leistungen erbracht werden, die für die konkrete betriebliche oder berufliche Tätigkeit wesentlich und prägend sind.[2] Der zeitliche Umfang der Nutzung hat lediglich indizielle Bedeutung.

 

Rz. 803

Für die Betrachtung sind alle betrieblichen und beruflichen Tätigkeiten zusammenzufassen; bei mehreren Tätigkeiten kommt es also darauf an, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt aller Tätigkeiten bildet, nicht jedoch, ob es der Mittelpunkt einer von mehreren Tätigkeiten ist.[3]

 

Rz. 803a

Der Mittelpunkt der Betätigung liegt dort, wo der Stpfl. diejenigen Handlungen vornimmt und diejenigen Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind.[4] Allein aus dem Umstand, dass in dem Arbeitszimmer Geschäftsideen entwickelt werden, unternehmensbezogene Entscheidungen getroffen werden sowie die Organisation der Tätigkeit erfolgt ("Steuerungszentrale"), kann nicht geschlossen werden, dass das Arbeitszimmer der Mittelpunkt der Tätigkeit ist. Das ist nur der Fall, wenn die Entwicklung von Geschäftsideen prägend für die Tätigkeit des Stpfl. ist.[5]

 

Rz. 803b

Die Frage, ob es sich um den Mittelpunkt handelt, ist nach qualitativen Aspekten zu beurteilen. Die Tätigkeit in dem häuslichen Arbeitszimmer muss den inhaltlichen Schwerpunkt der betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit darstellen. Die in dem Arbeitszimmer verbrachte Zeit hat lediglich indizielle Bedeutung. Ein Arbeitszimmer kann daher auch dann den Mittelpunkt der Betätigung bilden, wenn der Stpfl. dort während weniger als der Hälfte seiner Tätigkeitszeit tätig ist.[6] Für die Frage, ob das Arbeitszimmer der Mittelpunkt der Tätigkeit ist, kommt es daher entscheidend weder darauf an, an wie vielen Tagen der Stpfl. in dem Arbeitszimmer gearbeitet hat, noch darauf, wie viel Umsatz oder Gewinn er aus der Tätigkeit im Arbeitszimmer erwirtschaftet hat.[7] Die Tatsache einer dauerhaften Außendiensttätigkeit allein steht also der Annahme des Mittelpunkts der Tätigkeit im Arbeitszimmer nicht entgegen. Liegt das Schwergewicht des Stpfl. (Ingenieur) bei der Erarbeitung komplexer theoretischer Problemlösungen, während die Umsetzung durch andere Unternehmen erfolgt, kann der Mittelpunkt der Tätigkeit auch dann im Arbeitszimmer liegen, wenn daneben auch Beratung beim Kunden erfolgt.[8]

 

Rz. 803c

In die Frage nach dem Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit werden nicht nur die Einkunftsarten einbezogen, bei denen eine aktive Tätigkeit des Stpfl. notwendig ist, sondern auch solche, die durch passive Nutzenziehung charakterisiert sind (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Einkünfte aus Kapitalvermögen). Hingegen sind Einkünfte aus früheren Dienstleistungen i. S. v. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, die nach Erreichen der Altersgrenze bezogen werden, nicht in die Betrachtung mitaufzunehmen.[9]

 

Rz. 804

Erbringt der Stpfl. qualitativ gleichwertige Tätigkeiten im Arbeitszimmer und an anderen Orten, ist das Arbeitszimmer Mittelpunkt der Tätigkeit, wenn er mehr als die Hälfte der Tätigkeitstage im Arbeitszimmer verbringt.[10] Andererseits ist ein Arbeitszimmer nicht allein deshalb "Mittelpunkt", weil der Stpfl. über keinen anderen Arbeitsplatz verfügt.[11]

 

Rz. 804a

Zu beachten ist, dass der BFH häufig nicht vom "Mittelpunkt", sondern vom (qualitativen) "Schwerpunkt" der Tätigkeit spricht. Da das Gesetz vom "Mittelpunkt", nicht vom "Schwerpunkt" ausgeht, muss der BFH so verstanden werden, dass es sich um identische Begriffe handelt. Im Folgenden wird der gesetzlichen Begriffsbildung gefolgt, also vom "Mittelpunkt" gesprochen.

 

Rz. 805

Abzustellen ist auf die Gesamtheit der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit; die einzelnen Tätigkeiten, einschließlich der aus nichtselbstständiger Arbeit, sind zusammenzurechnen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Ausdruck "Mittelpunkt der gesamten … Tätigkeit"; für eine andere Auslegung der Vorschrift ist daher kein Raum.[12] Das gilt sowohl für den Fall, dass der Stpfl. mehrere selbstständige Tätigkeiten ausübt, als auch für den Fall, dass eine berufliche Tätigkeit mehrere Aufgabenbereiche umfasst. Da das Gesetz auf "den" Mittelpunkt und die "gesamte" Tätigkeit abstellt, folgt daraus, dass es für den Stpfl. nur einen einzigen Mittelpunkt geben kann.[13] Bei mehreren Tätigkeiten ist maßgebend, wo sich der Mittelpunkt der "gesamten" Tätigkeit befindet; es ist nicht erforderlich, dass der Mittelpunkt jeder ...

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