11.1 Einspruch, Klage

 

Rz. 112

Gegen den ESt-Bescheid ist der Einspruch[1] gegeben (§ 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO). Nach Zurückweisung des Einspruchs kann Anfechtungsklage erhoben werden (§ 40 Abs. 1 FGO). Mit der Sprungklage nach § 45 FGO kann auf das Einspruchsverfahren verzichtet werden. Voraussetzung dafür ist die Zustimmung des FA innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift (§ 45 Abs. 1 S. 1 FGO). Ist die Steuer bereits bezahlt, kann das FG nach § 100 Abs. 1 S. 2 FGO auf Antrag die Erstattung anordnen (Folgenbeseitigungsanspruch), was allerdings ein besonderes Rechtsschutzinteresse voraussetzt. Daran fehlt es i. d. R., wenn es um die Erstattung zu Unrecht gezahlter Steuern geht, da das FA seiner Erstattungsverpflichtung aufgrund eines dem Stpfl. günstigen Urteils von sich aus nachkommt.[2] Die Anfechtungsklage ist auch dann die richtige Klageart, wenn auf die Steuerschuld nach § 36 Abs. 2 EStG Anrechnungen zu erfolgen haben, die die Steuerschuld übersteigen.

 

Rz. 113

Vor Bekanntgabe des Bescheids ist die Erhebung eines Einspruchs unzulässig.[3] Dies gilt auch dann, wenn dem Stpfl. der Inhalt schon vorher mitgeteilt wurde.[4] Hat das FA nur die Anlage zum Steuerbescheid bekannt gemacht und dadurch den Anschein erweckt, als ob es den ESt-Bescheid habe bekannt geben wollen, so ist dagegen der Einspruch möglich; der erst später bekannt gewordene Bescheid braucht nicht erneut mit dem Einspruch angefochten zu werden.[5]

11.2 Beschwer

 

Rz. 114

Nach § 350 AO setzt die Zulässigkeit des Einspruchs voraus, dass der Einspruchsführer zum Zeitpunkt der Einspruchseinlegung durch den Steuerbescheid beschwert ist (Einspruchsbefugnis).[1] Entsprechendes gilt für die Klage (§ 40 Abs. 2 FGO). Eine Beschwer ist dann gegeben, wenn rechtlich geschützte Interessen des Einspruchsführers durch das Verhalten der Finanzbehörde beeinträchtigt werden. Verfahrensfehler hinsichtlich der Form des Verwaltungsakts und hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit für dessen Erlass begründen die Einspruchsbefugnis nur dann, wenn geltend gemacht wird, dass bei Beachtung der Vorschriften eine andere Sachentscheidung hätte getroffen werden können. Eine Beschwer ist ohne Weiteres gegeben, wenn der ESt-Bescheid mit der Begründung angefochten wird, die ESt sei zu Unrecht oder zu hoch festgesetzt worden. Die Beschwer braucht dann nicht besonders dargelegt zu werden. Zweifelsfragen können sich in folgenden Fällen ergeben:

  • Die Beschwer ergibt sich regelmäßig aus dem Verfügungssatz (Ausspruch, Tenor) des Verwaltungsakts. Entscheidend ist, ob der Bescheid im Ergebnis richtig ist. Eine fehlerhafte Begründung des Bescheids führt daher nicht zur Einspruchsbefugnis. Einwendungen, die die belastende Regelungsaussage des Verwaltungsakts nicht berühren, sondern sie mit einer anderen (kompensierenden) Begründung aufrechterhalten, ergeben keine Beschwer. Es fehlt daher an einer Beschwer, wenn lediglich eine andere steuerneutrale Aktivierung begehrt wird[2] oder wenn sich aus der Zuordnung von Aufwendungen zu den Sonderausgaben statt zu den Werbungskosten keine steuerliche Auswirkung ergibt.[3]
  • Anders ist es, wenn die Besteuerungsgrundlagen des Bescheids Feststellungen enthalten, die für andere Behörden bindend sind, z. B. für Leistungen nach dem BAföG. Denn der Einkommensbegriff nach dem BAföG richtet sich nach der Summe der positiven Einkünfte nach dem EStG.[4] Keine Bindung besteht zwischen dem ESt-Bescheid und der Feststellung des GewSt-Messbetrags.[5]
  • Eine zu niedrige Belastung kann ausnahmsweise dann eine Beschwer begründen, wenn sie in anderen Bereichen nachteilige Auswirkungen hat oder diese als möglich erscheinen[6], bzw. wenn sich die Festsetzung in einem späteren Vz nachteilig auswirken kann, z. B. aufgrund des Bilanzzusammenhangs.[7] Keine Rechtsverletzung liegt vor, wenn sich ein fehlerhafter Bilanzansatz weder im Streitjahr noch in den Folgejahren nachteilig auswirken kann. Gleiches gilt für niedrigere Verrechnungsmöglichkeiten[8] oder eine unmittelbar verbindliche Wirkung in anderen Steuerarten.[9]
  • Bei einer "Null-Festsetzung" liegt eine Klagebefugnis grundsätzlich nicht vor. Die Verneinung der Steuerpflicht ist eine Frage der Begründung des Verwaltungsakts, die keine unmittelbare Belastung bewirkt.[10] Eine Beschwer ist allerdings gegeben, wenn die Steuerpflicht dem Grunde nach bestritten wird.[11] Eine Beschwer bei einer "Null-Festsetzung" liegt auch vor, wenn der ESt-Bescheid Grundlagenfunktion für einen nach § 10d Abs. 3 EStG a. F. (aktuell § 10d Abs. 4 EStG) gesondert festzustellenden Verlust hat.[12] Ein berechtigtes Interesse an der Anfechtung kann auch bestehen, wenn der Eintritt der...

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