Rz. 346

Nach § 20 Abs. 5 S. 1 EStG erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG der Anteilseigner. Dies ist nach § 20 Abs. 5 S. 2 EStG derjenige, dem die Anteile nach § 39 AO im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind. Hintergrund des § 20 Abs. 5 EStG ist die (vermeintlich) divergierende Rspr. des I. und des VIII. Senats des BFH zur Zurechnung von Beteiligungserträgen. Der VIII. BFH-Senat rechnete die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 EStG in seiner älteren Rspr. den Stpfl. zeitanteilig für die Dauer ihrer Rechtsinhaberschaft zu.[1] Zur Begründung verwies er auf § 101 BGB, wonach Gewinnanteile dem Rechtsinhaber zivilrechtlich für die Dauer seiner Berechtigung gebühren, sofern die Parteien keine hiervon abweichende Vereinbarung getroffen haben. Außerdem führte der VIII. Senat an, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, wer für eigene Rechnung und Gefahr einem anderen Kapital entgeltlich zur Nutzung überlässt. Dies sollte nach Ansicht des VIII. Senats auch für Beteiligungserträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG gelten, woraus sich eine besitzanteilige Zurechnung ergab.[2] Im Gegensatz dazu erfasste der I. Senat des BFH die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 EStG bei dem Stpfl., der bei Entstehung des Gewinnanspruchs bezugsberechtigter Gesellschafter war.[3] Nach Ansicht des I. Senats liegt den Einkünften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 EStG keine entgeltliche Kapitalüberlassung auf Zeit zugrunde. Vielmehr verliert der Gesellschafter mit Erfüllung seiner Einlageverpflichtung die Rechte an dem übertragenen Vermögen endgültig. Daher kann ein Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 EStG unabhängig davon erzielen, ob er selbst Kapital an eine Gesellschaft überlassen hat oder nicht. Entscheidend ist allein das zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter bestehende Rechtsverhältnis im Zeitpunkt der Entstehung des Gewinnanspruchs.[4]

 

Rz. 347

Mit Einführung des § 20 Abs. 2a EStG durch das Standortsicherungsgesetz v. 13.9.1993[5], dem jetzigen § 20 Abs. 5 EStG, hat der Gesetzgeber diese vermeintliche Streitfrage im Sinn des I. Senats des BFH entschieden.[6] Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 EStG erzielt nach § 20 Abs. 5 S. 1 EStG der Anteilseigner. Dies ist nach § 20 Abs. 5 S. 2 EStG derjenige, dem die Anteile nach § 39 AO im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind. Nach Ansicht des Gesetzgebers stellt § 20 Abs. 5 EStG klar, dass der Dividendenanspruch bis zum Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses ein unselbstständiger Bestandteil des Stammrechts ist und daher vom demjenigen als Kapitalertrag zu versteuern ist, dem in Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses das Stammrecht nach § 39 AO zuzurechnen ist. § 101 BGB soll in diesem Zusammenhang keine Bedeutung haben. Auch eine Vereinbarung darüber, wer berechtigt sein soll, die Gewinnanteile zu beziehen, ist für die steuerliche Zurechnung der Kapitalerträge nicht maßgebend. Insofern soll es sich um eine für die Zwecke des Steuerrechts unbeachtliche Einkommensverwendung handeln.[7] Anderes soll nach Ansicht des Gesetzgebers nur dann gelten, wenn eine erstmalige Börseneinführung von Aktien im Raum steht. In dieser Konstellation soll die zivilrechtliche Zurechnung der Dividenden im Verwaltungswege auch für steuerliche Zwecke anerkannt werden. Die Vorschrift des § 20 Abs. 5 EStG soll in diesen Fällen aufgrund der börsenüblichen Anonymität nicht praktikabel sein.[8] Zu beachten ist, dass § 20 Abs. 5 EStG nur die Zurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 EStG regelt.[9] Für die anderen Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG hat die Vorschrift keine Bedeutung. In diesen Fällen bleibt es bei den allgemeinen Zurechnungsgrundsätzen. Nach diesen sind die Kapitalerträge demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand verwirklicht, an den das Gesetz die Einkünfteerzielung knüpft.[10]

[2] Ausdrücklich offen gelassen aber in BFH v. 11,4.2012, VIII R 28/09, BFH/NV 2012, 2080, BStBl II 2012, 496.
[3] BFH v. 16.12.1992, I R 32/92, BStBl II 1993, 399; die Frage einer Divergenz zum VIII. Senat offen lassend indes der I. Senat in BFH v. 10.8.2004, I B 2/04, BFH/NV 2005, 239 mit der Formulierung: "Jedenfalls im summarischen Verfahren sei an der Rspr. des BFH festzuhalten, dass bei der Zurechnung von Einkünften eines Stpfl. § 101 BGB zu berücksichtigen sei und auch steuerlich die Möglichkeit einer abweichenden vertraglichen Zurechnung von Gewinnbezugsrechten bestehe."
[4] Dem ist letztlich auch der VIII. Senat des BFH gefolgt, BFH v. 16.12.1992, I R 32/92, BStBl II 1993, 399.
[5] BGBl I 1993, 1569.
[7] BT-Drs. 12/5016, 87f.
[8] BT-Drs. 12/5016, 88.
[9] Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 2014, § 20 EStG Rz. 165.

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