Rz. 233

§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG enthält keine Definition des Begriffs "Termingeschäft". Auch andere Vorschriften des EStG, die den Begriff verwenden, erläutern ihn nicht. Bereits im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. war umstritten, wie der Begriff zu verstehen ist. Zur Auslegung des Begriffs existieren im Wesentlichen drei Meinungen.

  • Nach einer ersten Ansicht, die insbesondere vom Gesetzgeber des UntStRefG 2008 und der Finanzverwaltung vertreten wird, umfasst der Begriff "Termingeschäft" sämtliche als Options- oder Festgeschäfte ausgestalteten Finanzinstrumente sowie Kombinationen zwischen Options- und Festgeschäften, deren Preis unmittelbar oder mittelbar abhängt von dem Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren, dem Börsen- oder Marktpreis von Geldmarktinstrumenten, dem Kurs von Devisen oder Rechnungseinheiten, Zinssätzen oder anderen Erträgen oder dem Börsen- oder Marktpreis von Waren oder Edelmetallen.[1] Diese Definition des Begriffs "Termingeschäft" lehnt sich an die Definition des Begriffs "Derivate" in § 2 Abs. 2 WPHG i. d. F. v. 9.9.1998 und § 1 Abs. 11 KWG i. d. F. v. 9.9.1998 an und setzt den Begriff "Termingeschäft" damit im Ergebnis mit dem Begriff "Derivate" gleich.
  • Nach einer weiteren Ansicht handelt es sich bei Termingeschäften um Verträge, die von beiden Seiten erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen sind, bei denen die gegenseitigen Rechte und Pflichten aber bereits bei Abschluss des Vertrags festgelegt werden. Durch diese Besonderheit unterscheiden sich die Termingeschäfte von den Kassageschäften, die Verträge beschreiben, die in Abhängigkeit von den jeweiligen Handelsbedingungen unverzüglich oder innerhalb weniger Tage erfüllt werden müssen, wobei in Deutschland eine Frist von zwei Tagen üblich ist.[2] Im Ergebnis stellt diese Ansicht damit auf die besondere Handelstechnik ab, die den Termingeschäften in Abgrenzung zu den Kassageschäften zugrunde liegt.
  • Nach einer dritten Auffassung zeichnen sich Termingeschäfte dadurch aus, dass die Möglichkeit besteht, aufgrund von Hebelwirkungen mit verhältnismäßig geringem Kapitaleinsatz überproportional an auftretenden Preisveränderungen zu partizipieren, dass ein über das generell bestehende Insolvenzrisiko des Vertragspartners hinausgehendes Risiko eines Totalverlusts der eingesetzten Geldmittel vorhanden ist, und dass das Risiko besteht, zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten zusätzliche Geldmittel entgegen der ursprünglichen Absicht aufbringen zu müssen.[3] Diese Ansicht begreift den Begriff "Termingeschäft" damit im Ergebnis als weiten Typusbegriff, der sich aus verschiedenen Einzelmerkmalen zusammensetzt, die aber nicht stets alle erfüllt sein müssen.
 

Rz. 234

U. E. ist für den Begriff "Termingeschäft" i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG eine eigenständige steuerrechtliche Auslegung zu finden.[4] Bei der Auslegung ist vom Wortlaut des Gesetzes auszugehen. Im allgemeinen Sprachgebrauch beschreibt der Begriff "Termingeschäft" einen Vertrag, der von beiden Seiten erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen ist, bei dem die gegenseitigen Rechte und Pflichten aber bereits bei Abschluss des Vertrags festgelegt werden. Gegenbegriff des Termingeschäfts ist im allgemeinen Sprachgebrauch das Kassageschäft, bei dem es sich um einen Vertrag handelt, der in Abhängigkeit von den jeweiligen Handelsbedingungen unverzüglich oder innerhalb weniger Tage zu erfüllen ist. In Deutschland ist dabei eine Frist von zwei Tagen üblich. Dieses Verständnis, das auf die unterschiedliche Handelstechnik bei Termin- und Kassageschäften abstellt, ist auch im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG maßgeblich. Zu den Termingeschäften i. d. S. zählen damit insbesondere Kaufoptionen und Verkaufsoptionen, Zinscaps und Zinsfloors, Futures und Forwards, Forward Rate Agreements (FRA), Contracts for Difference (CFD) und Swapgeschäfte.

 

Rz. 235

Dagegen kann die Gleichsetzung des Begriffs "Termingeschäft" i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG mit dem Begriff "Derivate" i. S. d. § 2 Abs. 2 WPHG i. d. F. v. 9.9.1998 und i. S. d. § 1 Abs. 11 KWG i. d. F. v. 9.9.1998 nicht überzeugen. Gegen eine solche Gleichsetzung spricht bereits die unterschiedliche Zielsetzung dieser Vorschriften, da § 2 Abs. 2 WPHG und § 1 Abs. 11 KWG dem Anlegerschutz und der Marktöffnung dienen, während § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG ausschließlich die Besteuerung von Termingeschäften regelt.[5] Auch gegen das Verständnis des Begriffs "Termingeschäft" i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG als weiten Typusbegriff bestehen erhebliche Bedenken. Die Möglichkeit einer Hebelwirkung, die Gefahr eines Totalverlusts und das Risiko von Nachschusspflichten sind für die Besteuerung irrelevant, denn insoweit kommt es allein darauf an, ob der Stpfl. mithilfe eines Termingeschäfts seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gesteigert oder vermindert hat. Ob sich das Termingeschäft hingegen als besonders risikoreich oder risikoarm erweist, ist steuerlich un...

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