1.6.1 Steuerabzugsverfahren

 

Rz. 91

Nach der Konzeption der Abgeltungsteuer sollen die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG grundsätzlich einer abschließenden Besteuerung im Steuerabzugsverfahren unterworfen werden. Zu diesem Zweck sind die Kreditinstitute verpflichtet, KapESt einzubehalten und an das FA abzuführen, falls die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht ausnahmsweise keinem KapESt-Abzug unterliegen (§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 12 i. V. m. § 44 Abs. 1 S. 3 bis 5 EStG). Der Einbehalt der KapESt durch die Kreditinstitute entfaltet dabei im Grundsatz Abgeltungswirkung und führt zum Erlöschen der Steuerschuld und zum Abschluss des Steuerfalls, falls der Stpfl. nicht im Ausnahmefall für die einzubehaltende und abzuführende KapESt haftet (§ 43 Abs. 5 S. 1 EStG). Die Einkünfte aus Kapitalvermögen werden daher im Regelfall nicht mehr in die Veranlagung einbezogen, sodass für den Stpfl. keine Verpflichtung mehr besteht, die Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Steuererklärung anzugeben.[1]

[1] Steuerabzugsverfahren bei den Einkünften aus Kapitalvermögen: Strohm, Abgeltungsteuer – Systematische Darstellung und ausgewählte Zweifelsfragen, 2010, 92ff.

1.6.2 Veranlagungsverfahren

 

Rz. 92

In Ausnahmefällen erfolgt die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG aber auch nach der Einführung der Abgeltungsteuer im Veranlagungsverfahren. Sofern die Kreditinstitute in diesen Fällen KapESt einbehalten und an das FA abgeführt haben, stellt die KapESt wie bisher eine Vorauszahlung auf die ESt dar, die im Veranlagungsverfahren auf die ESt angerechnet wird, falls nicht eine Erstattung der KapESt beantragt oder durchgeführt wurde (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 EStG). Der Steuerabzug vom Kapitalertrag entfaltet in diesen Fällen keine Abgeltungswirkung, sodass für den Stpfl. die Notwendigkeit besteht, die Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Steuererklärung anzugeben (§ 43 Abs. 5 S. 2 und 3 EStG). Abgesehen von den Fällen, in denen die Einkünfte aus Kapitalvermögen den Einkünften der anderen Einkunftsarten zuzurechnen sind (§ 43 Abs. 5 S. 2 i. V. m. § 32d Abs. 1 S. 1 EStG), lassen sich folgende Fälle unterscheiden, in denen die Einkünfte aus Kapitalvermögen in die Veranlagung einbezogen werden[1]:

 

Rz. 93

 
Regelung Sachverhalt
§ 43 Abs. 5 S. 2 i. V. m. § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG Verpflichtende Veranlagung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in bestimmten Missbrauchsfällen
§ 43 Abs. 5 S. 2 i. V. m. § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG Verpflichtende Veranlagung der Einkünfte aus Kapitalvermögen bei begünstigten Versicherungen
§ 43 Abs. 5 S. 2 i. V. m. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG Wahlweise Veranlagung der Einkünfte aus Kapitalvermögen bei qualifizierten Beteiligungen
§ 43 Abs. 5 S. 2 i. V. m. § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG Verpflichtende Veranlagung der Einkünfte aus Kapitalvermögen bei verdeckten Gewinnausschüttungen
§ 43 Abs. 5 S. 1 i. V. m. § 32d Abs. 3 EStG Verpflichtende Veranlagung der Einkünfte aus Kapitalvermögen bei fehlendem Steuerabzug
§ 43 Abs. 5 S. 3 i. V. m. § 32d Abs. 4 EStG Wahlweise Veranlagung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zur Geltendmachung steuermindernder Umstände oder zur Überprüfung des Steuerabzugs
§ 43 Abs. 5 S. 3 i. V. m. § 32d Abs. 6 EStG Wahlweise Veranlagung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, falls der individuelle Steuersatz des Stpfl. unter dem proportionalen Sondertarif liegt
§ 51a Abs. 2d S. 1 Halbs. 1 i. V. m. S. 3 EStG Verpflichtende Veranlagung der einbehaltenen KapESt bei fehlendem KiSt-Abzug
§ 51a Abs. 2d S. 1 Halbs. 2 i. V. m. S. 3 EStG Wahlweise Veranlagung der einbehaltenen KapESt zur Überprüfung des KiSt-Abzugs
[1] Veranlagungsverfahren bei den Einkünften aus Kapitalvermögen: Strohm, Abgeltungsteuer – Systematische Darstellung und ausgewählte Zweifelsfragen, 2010, 102ff.

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