Rz. 68

Der Begriff der Rechtsnachfolge bezeichnet den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an einer Kapitalanlage oder einem Kapitalertrag von einer Person auf eine andere. Für die Einkünftezurechnung ist in Rechtsnachfolgefällen strikt zwischen Einzelrechtsnachfolge (z. B. Veräußerung, Schenkung) und Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Erbschaft, Umwandlung) einerseits und Rechtsnachfolge in das Stammrecht (z. B. Kapitalforderung, Kapitalbeteiligung) und Rechtsnachfolge in den Ertragsanspruch (z. B. Anspruch auf Zinszahlung, Anspruch auf Dividende) andererseits zu unterscheiden.

 

Rz. 69

Im Fall der Einzelrechtsnachfolge in das Stammrecht kommt es für die Einkünftezurechnung darauf an, um welches Stammrecht es sich handelt. Kommt es zwischen zwei Zinszahlungsterminen zu einer Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7 oder Nr. 8 EStG, sind die laufenden Erträge i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG dem Rechtsvorgänger und dem Rechtsnachfolger nach dem Verhältnis der Dauer ihrer Gläubigerstellung zuzurechnen. Sowohl Rechtsvorgänger als auch Rechtsnachfolger sind während ihrer Gläubigerstellung wirtschaftlicher Eigentümer einer Kapitalforderung und erfüllen damit den Tatbestand der Einkünfteerzielung. Dies rechtfertigt eine besitzanteilige Zurechnung der mithilfe der Kapitalforderung erzielten laufenden Erträge.[1] Im Fall der Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalbeteiligung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 Alt. 1, Nr. 9 oder Nr. 10 EStG zwischen zwei Dividendenzahlungsterminen erfolgt die Zurechnung der laufenden Erträge i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG dagegen ausschließlich beim Rechtsnachfolger. Nur der Rechtsnachfolger ist im Zeitpunkt der Abspaltung des Gewinnbezugsrechts vom allgemeinen Mitgliedschaftsrecht wirtschaftlicher Eigentümer einer Kapitalbeteiligung und verwirklicht damit den Tatbestand der Einkünfteerzielung. Aus diesem Grund erfolgt eine Zurechnung der mithilfe der Kapitalbeteiligung erzielten laufenden Erträge ausschließlich beim Rechtsnachfolger.[2] Dies stellt § 20 Abs. 5 S. 1 und 2 EStG für die Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG ausdrücklich klar.

 

Rz. 70

Die Einzelrechtsnachfolge in den Ertragsanspruch hat für die Einkünftezurechnung keine Bedeutung. Kommt es zur Einzelrechtsnachfolge in einen Ertragsanspruch, sind die laufenden Erträge i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG unverändert dem Stammrechtsinhaber zuzurechnen. Eine Zurechnung beim Rechtsnachfolger in den Ertragsanspruch kommt nicht in Betracht. Nur der Stammrechtsinhaber erfüllt den Tatbestand der Einkünfteerzielung. Der Rechtsnachfolger in den Ertragsanspruch zieht lediglich eine Forderung ein. Aus diesem Grund erfolgt eine Zurechnung der mithilfe des betreffenden Stammrechts erzielten laufenden Erträge ausschließlich beim Stammrechtsinhaber.[3]

 

Rz. 71

Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge in das Stammrecht kommt es für die Einkünftezurechnung nicht darauf an, um welches Stammrecht es sich handelt. Kommt es zur Gesamtrechtsnachfolge in ein Stammrecht, sind die laufenden Erträge i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG ausschließlich dem Rechtsnachfolger zuzurechnen. Dieser muss sich nach den Grundsätzen der Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 AO die Verwirklichung des Steuertatbestands durch den Rechtsvorgänger zurechnen lassen. Aus diesem Grund erfolgt eine Zurechnung der mithilfe des Stammrechts erzielten laufenden Erträge ausschließlich beim Rechtsnachfolger.[4]

 

Rz. 72

Die Gesamtrechtsnachfolge in den Ertragsanspruch hat für die Einkünftezurechnung keine Bedeutung. Kommt es zur Gesamtrechtsnachfolge in einen Ertragsanspruch, sind die laufenden Erträge i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG unverändert dem Stammrechtsinhaber zuzurechnen. Eine Zurechnung beim Rechtsnachfolger in den Ertragsanspruch kommt nicht in Betracht. Nur der Stammrechtsinhaber erfüllt den Tatbestand der Einkünfteerzielung. Der Rechtsnachfolger in den Ertragsanspruch zieht lediglich eine Forderung ein. Daher erfolgt eine Zurechnung der mithilfe des Stammrechts erzielten laufenden Erträge ausschließlich beim Stammrechtsinhaber.[5]

[1] BFH v. 30.4.1991, VIII R 38/87, BStBl II 1991, 574; Stuhrmann, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 20 EStG Rz. 35; Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. B 26, B 46.
[2] BFH v. 16.12.1992, I R 32/92, BStBl II 1993, 399; Stuhrmann, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 20 EStG Rz. 35; Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. B 27, B 45.
[3] BFH v. 22.8.1990, I R 69/89, BStBl II 1991, 38; Koss, in Lademann, EStG, § 20 EStG Rz. 84; Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. B 26, B 47.
[4] BFH v. 11.8.1971, VIII R 76/70, BStBl II 1972, 55; Stuhrmann, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 20 EStG Rz. 36; Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. B 26, B 44.
[5] BFH v. 22.8.1990, I R 69/89, BStBl II 1991, 38; Koss, in Lademann, EStG, § 20 EStG Rz. 84; Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. B 26, B 47.

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