1.4.2.1 Grundlagen

 

Rz. 63

Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG erzielt derjenige, der den Tatbestand verwirklicht, an den das EStG die Entstehung von Einkünften aus Kapitalvermögen knüpft.[1] Entsprechend ist die Zurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in Abhängigkeit vom jeweils verwirklichten Steuertatbestand differenziert zu beurteilen.

 

Rz. 64

 
Steuertatbestand Zurechnungssubjekt
§ 20 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 Alt. 1, Nr. 9 und Nr. 10 EStG Zurechnung der Einkünfte bei dem Stpfl., der wirtschaftlicher Eigentümer der Kapitalbeteiligung ist.
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7 und Nr. 8 EStG Zurechnung der Einkünfte bei dem Stpfl., der wirtschaftlicher Eigentümer der Kapitalforderung ist.
§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG Zurechnung der Einkünfte bei dem Stpfl., der bei wirtschaftlicher Betrachtung an das Optionsrecht gebunden ist.
§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 4 Alt. 1 und Nr. 8 EStG Zurechnung der Einkünfte bei dem Stpfl., der das wirtschaftliche Eigentum an der Kapitalbeteiligung überträgt.
§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Nr. 4 Alt. 2, Nr. 5, Nr. 6 und Nr. 7 EStG Zurechnung der Einkünfte bei dem Stpfl., der das wirtschaftliche Eigentum an der Kapitalforderung überträgt.
§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG Zurechnung der Einkünfte bei dem Stpfl., der bei wirtschaftlicher Betrachtung das Termingeschäft durchführt.
§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG Zurechnung der Einkünfte bei dem Stpfl., der das wirtschaftliche Eigentum an dem Termingeschäft überträgt.
 

Rz. 65

Die Tatsache, dass der Stpfl. den Tatbestand, an den das EStG die Entstehung von Einkünften aus Kapitalvermögen knüpft, zu irgendeinem Zeitpunkt verwirklicht, reicht für die Zurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen allerdings noch nicht aus. Erforderlich ist, dass der Stpfl. den Steuertatbestand im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf die Kapitalerträge erfüllt.[2] Bei den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG ergeben sich insofern keine Probleme, da bei diesen der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf die Kapitalerträge und der Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands der Einkünfteerzielung zwangsläufig zusammenfallen. Dagegen ist bei den laufenden Erträgen des Kapitalvermögens i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG genau zu prüfen, ob der Stpfl. den Steuertatbestand im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf die Kapitalerträge erfüllt. In den Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7 und Nr. 8 EStG entsteht der Anspruch auf die Kapitalerträge fortlaufend als Gegenleistung für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung.[3] Zuzurechnen sind die Kapitalerträge folglich demjenigen, der während des infrage stehenden Nutzungszeitraums wirtschaftlicher Eigentümer der Kapitalforderung ist. In den Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 Alt. 1, Nr. 9 und Nr. 10 EStG entsteht der Anspruch auf die Kapitalerträge dagegen punktuell im Zeitpunkt der Abspaltung des Gewinnbezugsrechts vom allgemeinen Mitgliedschaftsrecht.[4] Zuzurechnen sind die Kapitalerträge folglich demjenigen, der im Zeitpunkt der Abspaltung des Gewinnbezugsrechts wirtschaftlicher Eigentümer der betreffenden Kapitalbeteiligung ist. Dies wird in § 20 Abs. 5 S. 1 EStG für die Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG ausdrücklich klargestellt. In den Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG entsteht der Anspruch auf die Kapitalerträge wiederum fortlaufend als Gegenleistung für die anhaltende Bindung des Stillhalters an das Optionsrecht.[5] Zuzurechnen sind die Kapitalerträge folglich demjenigen, der während des infrage stehenden Bindungszeitraums bei wirtschaftlicher Betrachtung aus dem Optionsgeschäft verpflichtet ist.

[1] BFH v. 7.9.2005, VIII R 80/99, BFH/NV 2006, 57; Harenberg, in H/H/R, EStG/KStG, § 20 EStG Rz. 20; Jochum/Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. A 16.
[2] Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. B 36.
[3] BFH v. 9.3.1982, VIII R 160/81, BStBl II 1982, 540; von Beckerath, in Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 20 EStG Rz. 17; Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. B 26f.
[4] BFH v. 21.5.1986, I R 190/81, BStBl II 1986, 815; von Beckerath, in Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 20 EStG Rz. 17; Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. B 26f.
[5] BFH v. 29.6.2004, IX R 26/03, BStBl II 2004, 995, BFH/NV 2004, 1467; BFH v. 17.4.2007, IX R 40/06, BStBl II 2007, 608, BFH/NV 2007, 1415; von Beckerath, in Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 20 EStG Rz. 9.

1.4.2.2 Einzelfälle

1.4.2.2.1 Zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum

 

Rz. 66

Zivilrechtlicher Eigentümer einer Kapitalanlage ist diejenige Person, der die infrage stehende Kapitalanlage nach Maßgabe des Zivilrechts zuzurechnen ist. Bei zivilrechtlichen Fragestellungen wird es häufig darauf ankommen, ob das der betreffenden Kapitalanlage zugrunde liegende materielle Recht in einem Wertpapier verbrieft ist. Für Zwecke der Besteuerung hat die Verbriefung indes keine Bedeutung. Übt eine andere Person als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über e...

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