3.1 Begriff des Zuflusses

3.1.1 Tatsächlicher Vorgang

 

Rz. 14

Der Begriff des Zuflusses wurde von der Rspr., ausgehend von dem Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängers, losgelöst vom Wortlaut entwickelt (Rz. 10). Unter Zufluss ist danach ein tatsächlicher Vorgang zu verstehen, der zur Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht führt (Rz. 15). Fiktive Einnahmen sind nicht anzusetzen; der Zufluss kann nicht fingiert werden.[1] Die Bezeichnung als tatsächlicher Vorgang ist allerdings ungenau. Die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsmacht kann auf einem rein tatsächlichen Vorgang beruhen (z. B. Barzahlung), sie kann aber auch Folge von Willenserklärungen sein (z. B. Aufrechnung, Rz. 70 "Aufrechnung"; Erlass, Rz. 70 "Erlass, Verzicht"; Abtretung, Rz. 70 "Abtretung"). Die Kennzeichnung als tatsächlicher Vorgang hat lediglich die Bedeutung herauszustellen, dass § 11 Abs. 1 S. 1 EStG auf dem Zahlungsprinzip beruht, d. h., dass die Regeln über den Betriebsvermögensvergleich nicht anwendbar sind (Rz. 3).[2]

Einnahmen sind nur bzw. erst zu erfassen, wenn sie dem Stpfl. zugeflossen sind. Der Anspruch auf eine Leistung begründet noch keinen Zufluss, sondern grds. erst die Erfüllung des Anspruchs.[3] Ein Zufluss ist daher nicht bereits bei dem Versprechen, einen Gegenstand (z. B. ein Grundstück) zuzuwenden, gegeben, sondern erst bei der Verschaffung des Eigentums.[4]

Ebenso ist erst mit dem Zufluss die Gewinnrealisierung verwirklicht. Nicht abgestellt wird darauf, welchem Zeitraum eine Einnahme wirtschaftlich zuzuordnen ist[5]; Ausnahmen: § 11 Abs. 1 S. 2, 3, 4 EStG. Von der Systematik her kann es deshalb auch nicht darauf ankommen, wann die Forderung fällig wird (zur früheren Rechtslage s. Rz. 1). Die Fälligkeit (gesetzlich geregelt oder vertraglich vereinbart) der Schuld kann jedoch ein Beweisanzeichen dafür sein, dass die wirtschaftliche Verfügungsmacht bereits übergegangen ist.[6] Nicht entscheidend kann sein, ob der Stpfl. eine Einnahme zurückzuzahlen hat (Rz. 21ff.) oder ob ihm Ausgaben zurückerstattet werden (Rz. 32f.).

3.1.2 Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht

 

Rz. 15

Der Begriff des "Zufließens" ist wirtschaftlich auszulegen. Ausgehend von der früheren Gesetzesfassung, wonach in erster Linie die Fälligkeit des Anspruchs bzw. das tatsächliche Zufließen entscheidend war (Rz. 1), definiert die Rspr. den Zufluss – erweiternd – als Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht[1], sobald der Empfänger über die Einnahme wirtschaftlich verfügen kann oder verfügt hat.[2] Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Erfüllung, d. h. des Eintritts des Leistungserfolgs oder zumindest der Möglichkeit, den Leistungserfolg herbeizuführen.[3] Der Zufluss wird nicht erst mit Fälligkeit oder tatsächlicher Zuwendung, sondern schon vorher mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmöglichkeit angenommen. Denn im Grunde hat sich die Leistungsfähigkeit des Empfängers bereits mit dem Erwerb der Forderung erhöht (Rz. 10). Allein das Innehaben eines Anspruchs reicht für den Zufluss allerdings nicht aus.[4] Ob der Stpfl. im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt hat, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die dem FG obliegt.[5]

 

Rz. 16

Entscheidend für den Zufluss ist daher, ob der Gläubiger von dem Schuldner in die Lage versetzt worden ist, den Leistungserfolg ohne dessen Zutun herbeizuführen. Dies setzt voraus, dass der Schuldner leistungsbereit und leistungsfähig ist.[6] Wenn der Eintritt des Leistungserfolgs – nur noch – von dem Zahlungsempfänger abhängt, ist die Verwirklichung des Anspruchs in so greifbare Nähe gerückt, dass es gerechtfertigt ist, dies wirtschaftlich dem tatsächlichen Eingang der Leistung gleichzustellen (potenzielle Verfügungsmacht). Der Zuflusszeitpunkt wird insoweit vorverlagert. Beweisanzeichen für den Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht können sein Fälligkeit der Schuld[7], Gutschrift in den Büchern des Schuldners[8], Erteilung einer Quittung durch den Gläubiger.[9]

Bei Geldschulden wird die wirtschaftliche Verfügungsmacht – außer bei Barzahlung – regelmäßig durch Gutschrift auf einem Girokonto ("Buchgeld") verschafft.[10] Der Zufluss liegt bereits mit der Gutschrift vor; auf die Benachrichtigung des Empfängers von der Gutschrift kommt es nicht an. Grundsätzlich ist jedoch die Kenntnis des Empfängers von der Zuwendung erforderlich (Rz. 70 "Gutschrift").

Bei der Zuwendung sonstiger geldwerter Vorteile richtet sich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nach der Art der Vorteilsgewährung (Rz. 70 "Sachwerte"; Nutzungsüberlassung, Rz. 70 "Miet- und Pachtverhältnisse"; Rz. 70 "Erbbaurecht"; Errichtung eines Gebäudes durch den Mieter/Pächter/Erbbauberechtigten, ...

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