Rz. 117

Das klassische System mit einheitlichem Steuersatz und Teileinkünfteverfahren basiert auf der Annahme, dass das Einkommen der Körperschaft steuerlich in bestimmter Höhe vorbelastet ist. Nur dann rechtfertigt sich die Verminderung der Bemessungsgrundlage auf der Ebene des Anteilseigners, um zusammen mit der Vorbelastung eine insgesamt als angemessen angesehene Steuerbelastung herzustellen. Im deutschen Besteuerungssystem wird diese Vorbelastung bei der ausschüttenden Körperschaft aber nicht exakt für den Einzelfall ermittelt, sondern typisierend mit 15 % unterstellt. Das bedeutet, dass tatsächlich höher (z. B. durch ausländische Steuern) vorbelastete Einkünfte nicht entlastet werden, andererseits niedriger oder gar nicht vorbelastete Einkünfte nicht belastet werden (kein "Heraufschleusen" der Steuerbelastung bei der Körperschaft). Die Folge ist, dass bei Eingreifen des Entlastungsmechanismus auf der zweiten Stufe (Teileinkünfteverfahren bei natürlichen Personen, Steuerfreistellung bei Körperschaften) das von dem Gesetz gewollte Ergebnis nur eintritt, wenn die Vorbelastung tatsächlich in Höhe der typisierend unterstellten Belastung von 15 % besteht. Ist das nicht der Fall, führt das Teileinkünfteverfahren zu Inkonsequenzen. War die Vorbelastung höher als 15 %, reicht die Entlastung durch das Teileinkünfteverfahren nicht aus. War sie niedriger oder bestand überhaupt keine Vorbelastung, erfolgt auf der Ebene des Anteilseigners eine Entlastung durch das Teileinkünfteverfahren, obwohl dies von der gesetzgeberischen Intention her nicht gerechtfertigt ist.

 

Rz. 118

Die Steuerbefreiung von Ausschüttungen von Körperschaften an Körperschaften nach § 8b Abs. 1 KStG sowie die Anwendung des Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG bei natürlichen Personen ist nicht abhängig davon, ob die ausschüttende Körperschaft inländisch oder ausländisch ist. Das bedeutet, dass Ausschüttungen ausländischer Körperschaften an inländische Körperschaften steuerlich nach § 8b Abs. 1 KStG freigestellt werden. Deutschland wendet insoweit unilateral die Freistellungsmethode an, unabhängig davon, ob ein DBA besteht oder welche Regelungen das DBA enthält. Diese Steuerfreistellung war ursprünglich unabhängig von der Beteiligungshöhe, während das internationale Schachtelprivileg üblicherweise von einer Beteiligungshöhe von mindestens 10 % bzw. 25 % abhängig ist. Nach § 8b Abs. 4 KStG ist jetzt ebenfalls eine Beteiligung von mindestens 10 % erforderlich. Ist der Anteilseigner eine natürliche Person, wird unilateral das Teileinkünfteverfahren angewandt, also eine Teilfreistellung gewährt, wobei es auf die Höhe der Beteiligung nicht ankommt. Die Vorteilhaftigkeit oder Unvorteilhaftigkeit einer Investition in eine ausländische Körperschaft hängt damit von der ausländischen Besteuerung ab.[1]

 

Rz. 119

Die Frage einer ausreichenden Vorbelastung taucht insbesondere auf, wenn die ausschüttende Körperschaft ausländische Einkünfte bezieht, und zwar insbesondere dann, wenn es sich um Ausschüttungen von einer ausländischen Körperschaft handelt, deren Einkommen wiederum aus Ausschüttungen resultiert. Die Höhe der ausländischen tatsächlichen Steuerbelastung ist in diesen Fällen schwer festzustellen, weil sie von der Zahl der Ausschüttungsstufen, des Eingreifens oder Nichteingreifens von DBA auf den einzelnen Stufen und der Anwendung und Effektivität von direkter und indirekter Anrechnung über mehrere Stufen abhängt. Der Gesetzgeber hat daher aus praktischen Erwägungen auf den Nachweis der tatsächlichen Vorbelastung verzichtet. Andererseits hat das zur Folge, dass ausländische Einkünfte, die der Freistellung entweder nach einem DBA (Betriebsstätteneinkünfte) oder nach § 8b Abs. 1 KStG (Dividenden) unterliegen, mit einer insgesamt niedrigen deutschen Steuerbelastung, nämlich nur derjenigen, die aus dem Teileinkünfteverfahren resultiert, an den Anteilseigner (natürliche Person) ausgeschüttet werden kann.

 

Rz. 120

Ist ein inländischer Steuerpflichtiger an einer Zwischengesellschaft beteiligt, stellt der Gesetzgeber jedoch auf eine im Einzelfall nachzuweisende Vorbelastung von mindestens 25 % ab.[2]

 

Rz. 121

Die Vorbelastung auf ausländische Dividendeneinkünfte kann auch höher sein als die typisierend unterstellten 15 %. Zahlt etwa die ausländische Körperschaft, an der die deutsche Kapitalgesellschaft beteiligt ist, selbst Steuern, und erhebt der ausländische Staat zusätzlich eine KapESt (etwa weil kein DBA besteht oder die in DBA regelmäßig vorgesehene Mindestbeteiligung von 25 % nicht erreicht wird), kann die gesamte Steuerbelastung leicht 15 % übersteigen. Eine direkte oder indirekte Anrechnung dieser Steuern im Inland ist nicht möglich, weil im Inland auf diese Einkünfte keine deutsche Steuer entfällt. Auch in anderen Fällen kann die Vorbelastung leicht über die typisierend unterstellten 15 % hinausgehen. Unterliegen z. B. Einkünfte aus ausländischen Quellen einer Abzugssteuer von 25 % (z. B. Zinsen, Lizenzzahlungen), beziehen sich diese auf die Einnahmen, n...

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