Rz. 122

Voraussetzung für die Steuerfreistellung bei dem empfangenden Gesellschafter ist, dass die Leistung bei der auskehrenden Körperschaft das Einkommen nicht gemindert hat. Da die verdeckte Gewinnausschüttung eine Auskehrung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage darstellt, die jedoch eine betriebliche Veranlassung vortäuscht, ist dies so zu verstehen, dass die (aus deutscher Sicht vorgetäuschte) betriebliche Veranlassung bei der Gesellschaft nicht zu einer Minderung des Einkommens (also etwa durch Abzug von Betriebsausgaben) geführt haben darf. Für die Anwendbarkeit des Abs. 1 S. 2–4 ist es ohne Bedeutung, ob es sich bei der auskehrenden Körperschaft um eine inl. oder ausl. Körperschaft handelt.[1] Ob bei einer ausl. Körperschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, entscheidet sich nach deutschem Recht. Daher ist die Regelung auch anwendbar, wenn die Leistung der ausl. Körperschaft nach ausl. Recht nicht als (verdeckte) Gewinnausschüttung qualifiziert wird, etwa weil das ausl. Recht ein solches Rechtsinstitut nicht kennt oder weil es andere Maßstäbe anlegt, nach deutschem Recht aber eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Dagegen richtet es sich nach ausl. Recht, nicht nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG, ob das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert worden ist. Im Ausland wird mangels Anwendbarkeit dieser Vorschrift nie eine Korrektur nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG erfolgt sein.[2]

 

Rz. 123

Zur Minderung des Einkommens bei der auskehrenden Körperschaft kann es im Hinblick auf verdeckte Gewinnausschüttungen aus 2 Gründen gekommen sein:

  • Bei der Ermittlung des Einkommens (d. h. bei der Steuerfestsetzung) der auskehrenden Körperschaft ist der gesellschaftsrechtliche Charakter der Auskehrung nicht erkannt, die verdeckte Gewinnausschüttung also nicht hinzugerechnet worden. Die Steuerfestsetzung gegenüber der auskehrenden Körperschaft ist also (endgültig) unrichtig und kann nicht mehr korrigiert werden; falls sie noch korrigiert werden kann, greift nicht Abs. 1 S. 2 ein, sondern § 32a Abs. 1 KStG. Folge ist, dass die eigentlich anwendbare gesetzliche Regelung – Steuerpflicht bei der auskehrenden Körperschaft, Steuerfreistellung bei dem Gesellschafter – "umgedreht" wird. Wegen der faktischen Steuerfreistellung bei der auskehrenden Körperschaft und der damit unmöglich gewordenen steuerlichen Erfassung auf dieser Ebene entfällt die Steuerfreistellung für den Gesellschafter; die Steuerlast wird von der auskehrenden Gesellschaft auf den Gesellschafter verlagert.
  • Ist die auskehrende Gesellschaft eine ausl. Körperschaft, kann auch der Fall eintreten, dass aus Sicht des ausl. Rechts eine betriebliche Veranlassung für die Aufwendungen vorliegt; die ausl. Steuerfestsetzung ist dann sachlich richtig. Abs. 1 S. 2 greift dann ein, wenn die Auskehrung aus der Sicht des deutschen Rechts bei dem Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert wird. Auch dann erfolgt eine Verlagerung der Steuerlast auf den Gesellschafter, bei dem die Steuerfreistellung der Auskehrung entfällt.
 

Rz. 124

Das Tatbestandsmerkmal des S. 2, dass das Einkommen der auskehrenden Gesellschaft nicht gemindert worden sein darf, wirft die Frage auf, was eine "Minderung des Einkommens" ist. Eine Minderung des Einkommens liegt jedenfalls dann vor, wenn die Gesellschaft überhöhte Leistungsentgelte an den Gesellschafter zahlt, diese als Betriebsausgaben geltend macht und dadurch ihr Einkommen mindert. Unklar ist nach dem Gesetzeswortlaut aber, ob auch eine unterlassene Einkommenserhöhung unter die Vorschrift fällt.

 
Praxis-Beispiel

Die Gesellschaft verkauft dem Gesellschafter ein Grundstück (Buchwert 100.000 EUR, Teil- bzw. Verkehrswert 300.000 EUR) zum Kaufpreis von 100.000 EUR. In diesem Fall liegt bei der Gesellschaft keine Einkommensminderung, sondern eine unterlassene Einkommenserhöhung vor.

 

Rz. 125

Nach der Gesetzesbegründung zu der gleichlautenden Formulierung in § 8 Abs. 3 S. 4 KStG[3] soll auch der Fall der unterlassenen Vermögensmehrung eine "Minderung des Einkommens" darstellen. Dies lässt sich aus dem Gesetzestext auch ableiten.[4] Ob bei einer verdeckten Gewinnausschüttung eine Minderung des Einkommens oder eine unterlassene Erhöhung des Einkommens vorliegt, ist häufig von Zufällen abhängig und wertungsmäßig gleich zu behandeln; darauf deutet auch der Verweis auf § 8 Abs. 3 S. 2 KStG hin, der beide Fälle umfasst.

 

Rz. 126

Ob eine Minderung des Einkommens der Gesellschaft vorliegt, ist durch einen Vergleich zwischen dem der Besteuerung tatsächlich zugrunde gelegten Einkommen der Gesellschaft und dem Einkommen der Gesellschaft festzustellen, das entstanden wäre, wenn der Vorgang als offene Ausschüttung behandelt worden wäre. Soweit es sich um überhöhte Betriebsausgaben handelt, darf daher nur der auf betrieblichen Gründen beruhende Teil der Aufwendungen abgezogen werden. Soweit es sich um die Veräußerung eines Wirtschaftsguts an den Gesellschafter zu einem Preis unter dem Verkehrswert handelt, ist eine Veräußerung zum Verkehrswert zugrund...

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