Rz. 370

Während jede Gewinnausschüttung, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss beruht, eine offene Gewinnausschüttung ist, muss nicht jede offene Gewinnausschüttung zwingend auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss beruhen. Der Begriff der offenen Gewinnausschüttung ist also der Oberbegriff, der die den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnausschüttungen und die sonstigen offenen Gewinnausschüttungen umfasst.

Beschließt die Hauptversammlung einer AG oder die Gesellschafterversammlung einer GmbH eine Gewinnausschüttung und wird diese in der Bilanz offen als solche ausgewiesen, liegt eine offene Gewinnausschüttung vor. Diese Gewinnausschüttung muss aber nicht den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechen; der Gewinnverwendungsbeschluss kann Mängel aufweisen, die ihn zu einem den handelsrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss machen.[1] Solche Mängel sind gegeben, wenn

  • der Gewinnverteilungsbeschluss nichtig ist;
  • der Gewinnverteilungsbeschluss auf Anfechtung für nichtig erklärt wird;
  • ein höherer Betrag als der ausgewiesene Bilanzgewinn ausgeschüttet wird.
 

Rz. 371

Bei einer AG ist der Gewinnverwendungsbeschluss außer in den Fällen des § 173 Abs. 3, des § 217 Abs. 2 und des § 241 AktG nichtig, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses, auf dem er beruht, nichtig ist.[2] Die Gründe für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses sind in § 256 AktG aufgezählt. Nach § 256 Abs. 5 AktG ist der Jahresabschluss u. a. nichtig, wenn

  • Posten überbewertet sind (d. h. Aktivposten zu hoch oder Passivposten zu niedrig) oder
  • Posten unterbewertet sind und dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird.
 

Rz. 372

Die Folgen eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses können jedenfalls dann nicht mit steuerrechtlicher Wirkung durch Aufhebung bzw. Änderung dieses Beschlusses rückgängig gemacht werden, wenn der mangelhafte Gewinnverteilungsbeschluss bereits vollzogen, d. h. die auf ihm beruhende Ausschüttung bei der Kapitalgesellschaft abgeflossen ist. Aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen zurückgewährte Gewinnausschüttungen sind steuerlich als Einlagen zu behandeln.[3]

 

Rz. 373

Offene Gewinnausschüttungen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruhen, sind – weil offen zugewendet – keine verdeckten Gewinnausschüttungen, sondern verunglückte offene Gewinnausschüttungen. Soweit das Steuerrecht Folgen vom Vorliegen eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverwendungsbeschlusses abhängig macht, teilen allerdings verunglückte offene Gewinnausschüttungen das Schicksal der verdeckten Gewinnausschüttungen. Da die Finanzverwaltung es zum Ausschluss einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht ausreichen lässt, dass eine Ausschüttung in Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung (ob nun gesellschaftsrechtlich zulässig oder nicht) steht, sondern eine verdeckte Gewinnausschüttung bereits dann annimmt, wenn eine Ausschüttung nicht auf einem "den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden" Gewinnverteilungsbeschlusses beruht[4], liegt nach deren Auffassung auch im Falle der verunglückten offenen Gewinnausschüttung definitorisch eine verdeckte Gewinnausschüttung vor.

[1] Zu den Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Gewinnverteilungsbeschlusses Rz. 330.
[3] Anh. vGA zu § 8 KStG Rz. 287ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge