Rz. 38

Ebenfalls öffentlichkeitswirksam bekannt geworden sind Steuergestaltungen, bei denen die Anrechnung von KapESt sichergestellt werden soll, was ohne Vornahme des Geschäfts nicht möglich wäre. Hierbei veräußert ein in einem ausl. Staat ansässiger Stpfl. Aktien mit Dividendenanspruch (cum) kurz vor dem Ausschüttungsstichtag an ein inl. Kreditinstitut, welches die Anteile dem Handelsbuch zuordnet. Die Aktien werden ebenfalls mit Dividendenanspruch (cum) geliefert. Zum Dividendenstichtag bekommt das inl. Kreditinstitut die Dividende ausgezahlt und kann sich die KapESt in voller Höhe anrechnen lassen, da § 8b Abs. 7 KStG die Anwendung der Abs. 1 bis 6 für Anteile im Handelsbestand suspendiert. Kurz nach dem Dividendenstichtag wird die Aktie weiterveräußert, da der Kurs aufgrund der Ausschüttung der Dividende gesunken ist, realisiert das Kreditinstitut i. d. R. einen Verlust, sodass die KapESt fast vollständig erstattet wird.[1]

 

Rz. 39

Zur Eindämmung derartiger Gestaltungen hat der Gesetzgeber in § 36a EStG zusätzliche Voraussetzungen geschaffen, die erfüllt sein müssen, damit eine Anrechnung von KapESt erfolgen kann. Demnach sind die Anteile innerhalb einer Mindesthaltedauer 45 Tage vor und nach dem Dividendenstichtag zu halten. Während dieses Zeitraums muss der die Anrechnung begehrende Stpfl. ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile sein und zugleich ein entsprechendes Wertänderungsrisiko tragen. Schließlich darf keine Verpflichtung bestehen, dass die Kapitalertragsteueranrechnung einem Anderen (wirtschaftlich) zu vergüten ist. Wie auch bei Cum/Ex-Gestaltungen liegt bei Cum/Cum-Gestaltungen die Erzielung des Steuervorteils durch die nahezu vollständige Anrechnung der Kapitalertragsteuer der Transaktion als Triebfeder zugrunde. Wertänderungsrisiken werden daher typischerweise durch gegenläufige Geschäfte ausgeschlossen, wodurch es bereits im Einzelfall dazu kommen kann, dass der inl. Erwerber und Rückveräußerer der Aktien kein wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen erwirbt. In diesem Fall wäre die Kapitalertragsteueranrechnung bereits von vornherein ausgeschlossen, es käme nicht zur Anwendung des § 36a EStG.[2]

 

Rz. 40

Die Funktionsweise von Cum/Cum-Transaktionen soll anhand des folgenden Beispiels[3] verdeutlicht werden:

 
Praxis-Beispiel

Die in einem ausl. Staat ansässige V Corp. veräußert Aktien an einem DAX-Unternehmen kurz vor dem Dividendenstichtag zu einem Preis von 100 an das inl. Kreditinstitut K. K erwirbt die Aktien zwecks kurzfristigen Erzielens eines Eigenhandelserfolgs und ordnet die Anteile dem Handelsbuch zu. Zum Dividendenstichtag erhält K eine Dividende von 10, wovon 7,5 ausgezahlt und 2,5 als KapESt abgeführt werden. Kurze Zeit nach dem Dividendenstichtag veräußert K die Anteile an V Corp. zu 91 (Kurs nach Dividendenausschüttung: 90) zurück, wobei die Rückveräußerung zu 91 bereits bei Erwerb vereinbart wurde.

K erzielt durch die Veräußerung der Aktien einen Veräußerungsverlust von -9 (91 – 100), erhält aber eine Dividende von 10, sodass ein Gewinn von 1 verbleibt. Die Körperschaftsteuer hierauf beträgt 0,15. Sofern K sich die Kapitalertragsteuer anrechnen lassen könnte, würden von den einbehaltenen 2,5 noch 2,35 erstattet werden.

V Corp. erzielt aus der Veräußerung und Rückvereinnahmung einen Betrag von 9 (100 – 91). Hätte V Corp. die Dividende bezogen, hätte diese lediglich die Dividende von 7,5 erhalten, ggf. hätte unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 44a Abs. 9 EStG eine teilweise Erstattung der KapESt erfolgen können, i. d. R. dürfte die Vornahme der Cum/Cum-Gestaltung indes von Vorteil sein, da die Dividendeneinkünfte in Veräußerungsgewinne umgewandelt werden (sog. Umwandlung von Einkünften).[4] Veräußerungsgewinne werden unter Beachtung von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers zugewiesen, sodass im Gegensatz zum Quellensteuerrecht bei einer Dividende kein Steueranspruch des deutschen Staates besteht.

 

Rz. 41

Die in § 36a EStG normierten Grundsätze sind faktisch nach Auffassung der Finanzverwaltung[5] und auf Basis der Rechtsprechung[6] bereits für Zeiträume vor Geltung des § 36a EStG, d. h. für Kapitalerträge, die vor dem 1.1.2016 zufließen[7], anzuwenden, da die in § 36a EStG niedergelegten Grundsätze der Rechtsprechung zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei einer Wertpapierleihe entnommen sind. Nach weitergehender Auffassung ergibt sich regelmäßig keine Kapitalertragsteueranrechnung aufgrund des Umstandes, dass entweder kein wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen im Zeitpunkt der Ausschüttung bestand oder ein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO vorliegt. Dies sind zwar Entscheidungen des jeweiligen Einzelfalles, dürften aber gleichwohl in den typisiert vorgenommenen Transaktionen häufig vorliegen .[8]

[1] Ausführlich Spengel, DB 2016, 2988 f.
[2] So auch Fu, GmbHR 2017, 1256.
[3] Hierzu auch Krämer/Weitersburg, in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 31 KStG Rz. 61; Spengel, DB 2020, 1919-1927 (1920).
[4] Spengel, DB 2016, 298...

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