5.6.1 Problemstellung

 

Rz. 188

§ 27 Abs. 3 KStG normiert die Pflicht zur Ausstellung der Bescheinigung über die Höhe von Leistungen, die aus dem steuerlichen Einlagekonto finanziert worden sind. Als Grundlage für die Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos für ein Wirtschaftsjahr dient die Steuerbilanz zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs. Wird diese Bilanz zu einem späteren Zeitpunkt geändert, kann dies zu einer Änderung der Verwendung führen und eine bereits erteilte Bescheinigung unrichtig werden lassen. Die Bescheinigung müsste folglich geändert (berichtigt) werden, und nur die geänderte Bescheinigung dürfte der Besteuerung des Anteilseigners zugrunde gelegt werden. Verfahrensrechtlich wird eine solche Berichtigung jedoch regelmäßig sehr aufwendig, bei Publikumsgesellschaften sogar unmöglich sein, wenn nicht mehr rekonstruiert werden kann, wer im Ausschüttungszeitpunkt Anteilseigner war.[1]

 

Rz. 189

Dieselbe Problematik ergibt sich, wenn in einem Wirtschaftsjahr, für das die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos bescheinigt worden ist, im Zuge einer Betriebsprüfung eine verdeckte Gewinnausschüttung festgestellt wird. Auch dann ist die bisherige Bescheinigung objektiv unrichtig, da in dem Wirtschaftsjahr weitere Leistungen erbracht worden sind. Das Gesetz sieht für diese Fälle eine profiskalische Lösung vor. Grundsätzlich bleibt eine falsche Bescheinigung bestehen. Wirkt sich die unrichtige Bescheinigung zuungunsten des Fiskus aus, führt dies zur Haftung der Kapitalgesellschaft, wohingegen Bescheinigungen zugunsten des Fiskus keine Korrekturen auslösen.[2]

[1] Gl. A. Antweiler, in Bott/Walter, KStG, § 27 KStG Rz. 284.
[2] Zur Rechtslage vor VZ 2006 Antweiler, in Bott/Walter, KStG, § 27 KStG Rz. 268ff.

5.6.2 Allgemeines

 

Rz. 190

Die Rechtsfolgen fehlerhafter Bescheinigungen sind in § 27 Abs. 5 KStG geregelt. Das Gesetz differenziert grds. 3 Fälle:

  • Bei einer zu niedrigen Bescheinigung der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos bleibt die fehlerhafte Bescheinigung mit rechtsverbindlicher Wirkung bestehen. Das bedeutet, dass eine Korrektur nicht möglich ist.
  • Bei einer fehlenden (z. B. vergessenen) Bescheinigung bis zum Zeitpunkt der gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gilt die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos als mit 0 EUR bescheinigt.
  • Bei einer zu hohen Bescheinigung ist die Körperschaft regelmäßig Haftungsschuldner für die zu niedrige KapESt, falls diese mangels Freistellungsbescheinigung zu entrichten war, eine Korrektur ist aber möglich.

5.6.3 Zu niedrige Bescheinigung

 

Rz. 191

Wird eine "zu niedrige" Verwendung des steuerlichen Einlagekontos bescheinigt,[1] hat der Anteilseigner zu hohe Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Die Kapitalgesellschaft hat zudem zu hohe KapESt einbehalten. Gem. § 27 Abs. 5 S. 1 KStG bleibt die Verwendungsfestschreibung des steuerlichen Einlagekontos dennoch bestandskräftig bestehen. Eine Korrektur ist nicht möglich. Eine Auskehrung aus dem steuerlichen Einlagekonto liegt nur insoweit vor, wie die Bescheinigung diese ausweist. Anwendungssachverhalte hierfür sind insbes.

  • Fehler bei der Erstellung der Bescheinigung, indem z. B. ein noch zur Verfügung stehender Betrag von der Kapitalgesellschaft übersehen wurde oder die Berechnung des verwendeten Betrags fehlerhaft ist;
  • nachträgliche Erhöhungen des steuerlichen Einlagekontos, z. B. durch Bilanzberichtigungen oder die Erfassung "vergessener" Einlagen, sofern eine Korrektur möglich ist, und die Leistung der Kapitalgesellschaft das steuerliche Einlagekonto überstiegen hat.
 

Rz. 192

Nach Berninghaus soll ein Schreib- oder Übertragungsfehler allerdings wirkungslos bleiben, sofern eine zutreffende Fortschreibung und Feststellung des Einlagekontos erfolgt ist.[2] Diese Auffassung ist mit dem Wortlaut der Regelung nicht vereinbar. Der Gesetzeswortlaut bezieht sich explizit auf eine objektiv unrichtige Bescheinigung. Die Bescheinigung ist auch dann objektiv unrichtig, wenn der zu niedrige Betrag Folge eines Zahlendrehers oder eines Übertragungsfehlers ist. Zudem entspricht dies nicht Sinn und Zweck der Regelung, da diese eine unzutreffende Besteuerung des Anteilseigners verhindert, indem sie die durch die fehlerhafte Bescheinigung ausgelösten Rechtsfolgen auf der Ebene des Anteilseigners i. S. einer "Umkehrmaßgeblichkeit" auf die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zurückbezieht. Eine solche Gefahr besteht auch bei Schreib- und Übertragungsfehlern hinsichtlich der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos, da sich das FA des Anteilseigners im Zweifel auf die Bescheinigung beziehen wird.

 

Rz. 193

Die Verwendungsfestschreibung erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem die fehlerhafte Bescheinigung ausgestellt und den Anteilseignern bekannt gegeben wurde.[3] In diesem Zeitpunkt wird die Bescheinigung im Außenverhältnis "rechtswirksam". Wird nur ein unternehmensinterner Entwurf erstellt, den Anteilseignern jedoch nicht ausgehändigt, sind Änderungen möglich. Die Verwendungsfestschreibung erfolgt mithin nicht, bevor die Bescheinigung ausgestellt und rechtswirksam bekannt ...

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