Rz. 41

Als erstes Tatbestandsmerkmal setzt der Verlust der wirtschaftlichen Identität voraus, dass Anteile an der Kapitalgesellschaft übertragen werden, und zwar für den Verlustabzug

  • bis zum Vz 1996 sowie für den Vz 1997, wenn der Verlust der wirtschaftlichen Identität vor dem 6.8.1997 eingetreten ist: Übertragung von mehr als 75 % der Anteile;
  • ab Vz 1998 sowie für den Vz 1997, wenn der Verlust der wirtschaftlichen Identität nach dem 5.8.1997 eingetreten ist: Übertragung von mehr als 50 % der Anteile.

Systematisch macht dieses Tatbestandsmerkmal den Verlustabzug bei der Kapitalgesellschaft von einem Vorgang auf der Gesellschafterebene abhängig; das Trennungsprinzip, wonach die steuerliche Behandlung der Körperschaft unabhängig von Vorgängen auf der Gesellschafterebene ist, wird insoweit durchbrochen.[1] Dagegen ist für das Merkmal der Zuführung neuen Betriebsvermögens und der Sanierung allein die Ebene der Körperschaft maßgebend.

 

Rz. 42

Die Vorschrift beschränkt ihren Geltungsbereich ausdrücklich auf die Übertragung von Anteilen an "Kapitalgesellschaften", also von Gesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Die Übertragung von Anteilen an anderen Körperschaften, wie Genossenschaften und VVaG, fällt nicht unter den Grundtatbestand.[2] Stattdessen kann aber ein "sonstiger Fall" vorliegen, da der Grundtatbestand keine abschließende Regelung enthält.[3]

 

Rz. 43

Bei der Beurteilung der Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, kommt es m. E. nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes darauf an, dass mehr als 75 % bzw. mehr als 50 % der Anteile am Nennkapital übergehen.[4] Genussrechte, verdecktes Eigenkapital, Bezugsrechte und eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen sind daher nicht einzubeziehen. Auch Bezugsrechte sind keine Anteile.[5] Die Frage der Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG kann sich erst bei der Ausübung des Bezugsrechts und dem damit verbundenen Erwerb der neuen Anteile stellen.

 

Rz. 44

Kein "Anteil" i. S. d. Abs. 4 ist die Beteiligung des persönlich haftenden Gesellschafters an einer KGaA; diese Beteiligung wird nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG wie ein Mitunternehmeranteil, nicht wie eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft behandelt. Die Übertragung der Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters an einer KGaA fällt daher nicht unter Abs. 4. Unter diese Vorschrift fällt daher nur die Übertragung von mehr als 50 % der Kommanditaktien.[6] Ist der Tatbestand des Abs. 4 durch Übertragung der Kommanditaktien erfüllt, erfasst die Einschränkung des Verlustabzugs auch nur die auf die KGaA als Kapitalgesellschaft entfallenden Verluste, nicht die nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG dem Komplementär zuzurechnenden Verluste. Für eine Ausdehnung der Regelung des § 8 Abs. 4 KStG auf die Übertragung der Beteiligung des persönlich haftenden Gesellschafters besteht auch kein Bedürfnis. Daher liegt auch kein "sonstiger Fall" vor. Ihm werden die auf ihn entfallenden Verluste wie die Verluste aus einer Mitunternehmerschaft persönlich und damit außerhalb der Beteiligung an der KGaA zugerechnet. Ein Verlustvortrag findet bei ihm im persönlichen Bereich (Sonderausgaben) bzw. in einem betrieblichen, außerhalb der Beteiligung an der KGaA bestehenden Bereich statt, damit losgelöst von der Beteiligung an der KGaA. Bei der Veräußerung dieser Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter gehen die Verluste nicht auf den Erwerber über; die Möglichkeit eines "Mantelkaufs" besteht daher nicht. Gewerbesteuerlich richtet sich die Vortragsfähigkeit der Verluste entsprechend nach den Grundsätzen der Unternehmeridentität, nicht nach § 10a S. 6 GewStG; die gegenteilige Auffassung in Abschn. 66 Abs. 1 S. 4 GewStR 1998 ist m. E. unsystematisch und unrichtig.

 

Rz. 45

Der Erwerb eigener Anteile durch die Kapitalgesellschaft fällt nicht unter Abs. 4. Die Kapitalgesellschaft kann die Vermögens- und Stimmrechte aus den eigenen Anteilen nicht wahrnehmen, daher wechselt auch nicht die "mittelbare Verlustbeteiligung". Stattdessen ist der Gesamtbestand der Anteile um die eigenen Anteile zu kürzen, sodass auch eine Übertragung an einen Dritten von 50 % oder weniger des Nennkapitals zum Eingreifen des Abs. 4 führen kann (d. h. wenn mehr als 50 % der Anteile, die nicht eigene Anteile sind, übertragen werden). Erlangt dadurch, dass die Kapitalgesellschaft eigene Anteile erwirbt, ein anderer Gesellschafter eine Beteiligung von über 50 % des Nennkapitals nach Abzug der eigenen Anteile (d. h. seine Beteiligung, die unter 50 % lag, wird durch Erwerb eigener Anteile der Kapitalgesellschaft zu einer Beteiligung von mehr als 50 %), fällt dies nicht unter Abs. 4 S. 2, da bei diesem Gesellschafter das Merkmal des "Anteilserwerbs" nicht erfüllt ist.

 
Praxis-Beispiel

An der A-GmbH sind A mit 30 %, B mit 70 % beteiligt. Die A-GmbH erwirbt die Anteile des B und hält sie als eigene Anteile. Dadurch wandelt sich die Beteiligung des A von 30 % des gesamten Nennkapitals um in eine Beteiligung von 100 % am Nennkapital abzüglich der eigenen Anteile.

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