Ein aktuelles Rechtsprechungs-Update

[Ohne Titel]

Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, StB[*]

Die Freistellung des Existenzminimums eines Kindes (§ 31 EStG) erfolgt über Freibeträge für Kinder (§ 32 Abs. 6 EStG) und Kindergeld (§§ 62 ff. EStG). Im Regelungsbereich dieser Vorschriften besteht ein hohes Streitpotential – wie ein Blick in die nach wie vor umfangreiche Rechtsprechung zeigt, die schwerpunktmäßig die Bereiche "Kinder in Berufsausbildung" sowie "Kindergeld bei Auslandssachverhalten" betrifft. Anknüpfend an den Beitrag in EStB 2020, 70 finden Sie nachfolgend eine Darstellung der aktuellen Rechtsprechung zu Freibeträgen für Kinder sowie zum Kindergeld.

[*] Der Autor war stellvertretender Vorsteher bei einem FA und ist nun als Steuerberater tätig.

1. Einheitliche Erstausbildung

Nimmt ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 S. 3 EStG fallende Berufstätigkeit auf, erfordert § 32 Abs. 4 S. 2 EStG eine Abgrenzung zwischen

  • einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und
  • einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung).

Eine einheitliche Erstausbildung ist nicht mehr anzunehmen, wenn

  • die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und
  • sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen.

Dabei können zwei zeitlich und inhaltlich zusammenhängende Ausbildungsabschnitte auch dann zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden, wenn das Kind sich nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts umorientiert und seine Ausbildung anders als ursprünglich geplant fortsetzt[1].

Abgrenzungskriterien: Der BFH hat hierzu klargestellt, dass es i.R.d. Gesamtwürdigung der Verhältnisse insbesondere darauf ankommt,

  • auf welche Dauer das Kind das Beschäftigungsverhältnis vereinbart hat,
  • in welchem Umfang die vereinbarte Arbeitszeit die 20-Stundengrenze überschreitet,
  • in welchem zeitlichen Verhältnis Arbeitstätigkeit und Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen,
  • ob die ausgeübte Berufstätigkeit die durch den ersten Abschluss erlangte Qualifikation erfordert und
  • inwieweit Ausbildungsmaßnahmen und Berufstätigkeit – im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung und auf ihren Inhalt – aufeinander abgestimmt sind.

Notwendiger sachlicher Zusammenhang: Der für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung notwendige sachliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten entfällt dabei nicht notwendigerweise dadurch, dass der nachfolgende Ausbildungsabschnitt für die Zulassung zur Abschlussprüfung oder für deren Bestehen eine Berufstätigkeit voraussetzt[2].

Ein Hochschulstudium

  • beginnt mit der erstmaligen Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen.
  • Beendet ist das Hochschulstudium grundsätzlich dann, wenn das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat und dem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse in schriftlicher Form zugänglich gemacht wurden[3].

Ablehnungsgründe für einheitliche Ausbildung? Eine Verbindung von zwei Ausbildungsabschnitten zu einer einheitlichen Erstausbildung kann nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil die Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung nicht spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts bei der Familienkasse vorgelegt wird[4]. Die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung kann auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil diese neben öffentlich-rechtlich geordneten auch nicht öffentlich-rechtlich geordnete Ausbildungsmaßnahmen umfasst[5].

Setzt die Aufnahme eines Studiums eine parallel dazu ausgeübte Berufstätigkeit voraus, die auch in einem Berufsausbildungsverhältnis oder in einem Teilzeitarbeitsverhältnis bestehen kann, kann aus dieser Zulassungsvoraussetzung nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass das Studium eine Zweitausbildung darstellt[6].

Die praktische Berufstätigkeit im bereits erlernten Beruf ohne im Vordergrund stehende Ausbildungsmaßnahmen stellt selbst dann keine Berufsausbildung dar, wenn das Berufsziel des Kindes noch nicht erreicht ist, der weitere Ausbildungsabschnitt aber zunächst eine Berufstätigkeit voraussetzt[7]. Zu einer ernsthaften und nachhaltigen Hochschulausbildung gehört auch die Teilnahme an den für die Erlangung der angebotenen beruflichen Qualifikation erforderlichen Prüfungen[8].

Zäsur durch Berufstätigkeit? Nicht jede von der Konzeption oder der Prüfungsordnung des zweiten Ausbildungsabschnitts als Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzung geforderte Berufstätigkeit lässt den notwendigen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten entfallen. Eine solche Zäsur ist dann nicht anzunehmen, wenn die geforderten berufspraktischen Erfahrungen auch durch eine Berufsausbildung erworben werden konnten und diese in engem zeitlichen Zusammenhan...

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