Anrechnung polnischer Familienleistungen: Familienleistungen nach dem polnischen Gesetz über staatliche Beihilfen zur Kindererziehung vom 17.2.2016 (sog. 500+) sind auf das in Deutschland gezahlte Kindergeld anzurechnen, denn es handelt sich auch nach europarechtlichen Grundsätzen um Familienleistungen gleicher Art. Die Mitteilung einer ausländischen Behörde über die Gewährung einer Familienleistung hat Bindungswirkung für die Familienkasse. Erfolgt diese erst nach der Kindergeldfestsetzung, so stellt diese eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 70 Abs. 2 EStG dar[38].

Freiwilligendienst i.R.d. Programms "Erasmus+": Kinder, die einen Freiwilligendienst i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2013 zur Einrichtung von "Erasmus+" leisten, werden steuerrechtlich nur berücksichtigt, wenn der Dienst die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG i.V.m. der Verordnung erfüllt. Ein Freiwilligendienst i.R.d. Programms "Erasmus+" liegt nur bei der Teilnahme an einem von einer Nationalen Agentur anerkannten Projekt vor. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn die Organisation, bei der das Kind seinen Dienst leistet, als Veranstalter für das Programm "Erasmus+" registriert und akkreditiert ist[39].

Behandlung als unbeschränkt est-pflichtig gem. § 1 Abs. 3 EStG = Abstellen auf ESt-Bescheid: Ob der Anspruchsteller nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wurde – und deshalb nach § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG Kindergeld beanspruchen kann –, richtet sich nach dem ESt-Bescheid, soweit dieser nicht auf falschen Angaben des Steuerpflichtigen beruht. Beachten Sie: Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid materiell-rechtliche Fehler aufweist[40].

Kindergeldbezug aufgrund inländischer Einkünfte: Erzielt ein im Ausland wohnender Steuerpflichtiger aus der Verpachtung einer inländischen Immobilie oder eines inländischen Betriebs i.S.d. § 49 EStG inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus Vermietung und Verpachtung, so berechtigt dies zum Kindergeldbezug in allen Monaten, in denen das Pachtverhältnis besteht und für die eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG erfolgt. Aktiver Tätigkeiten (z.B. Instandhaltungsmaßnahmen) oder Zahlungseingängen in den jeweiligen Monaten bedarf es dazu nicht[41].

Wohnsitzfiktion bei nach Deutschland entsandtem Elternteil: Die Wohnsitzfiktion des Art. 60 Abs. 1 S. 2 VO Nr. 987/2009 kann bei Personen, die nach Deutschland entsandt wurden – und deshalb nach Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 weiterhin den Rechtsvorschriften ihres Heimatlandes unterliegen –, dazu führen, dass der Anspruch auf deutsches (Differenz-)Kindergeld nicht dem nach Deutschland entsandten Elternteil zusteht, sondern dem im anderen Mitgliedstaat zusammen mit den Kindern in einem Haushalt lebenden anderen Elternteil[42].

Nach Deutschland entsandter Arbeitnehmer/Wohnsitzfiktion bei nachrangiger Zuständigkeit Deutschlands: Erfüllt ein nach Deutschland entsandter Arbeitnehmer die in §§ 62 ff. EStG geforderten Voraussetzungen eines Kindergeldanspruchs, so wird sein Anspruch i.S.d. Art. 68 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 durch den Wohnort ausgelöst, wenn

  • er die Beschäftigung nur i.R.d. Entsendung ausübt und
  • er auch sonst im Inland weder eine den deutschen Rechtsvorschriften unterliegende Erwerbstätigkeit ausübt noch eine Rente bezieht.

Beachten Sie: Besteht neben dem durch den Wohnort ausgelösten Anspruch eines Entsandten auf deutsches Kindergeld für dasselbe Kind und denselben Zeitraum Anspruch auf Familienleistungen in einem anderen Mitgliedstaat, der zugleich der Wohnsitzstaat der Kinder ist, so wird gem. Art. 68 Abs. 2 S. 3 VO Nr. 883/2004 der Anspruch auf deutsches Differenzkindergeld ausgeschlossen. Werden bei einem kindergeldberechtigten Elternteil die Wohnsitzvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG nach Art. 60 Abs. 1 S. 2 VO Nr. 987/2009 fingiert, kann für diesen Elternteil die nach § 62 Abs. 1 S. 2 EStG erforderliche Identifikation analog § 63 Abs. 1 S. 4 EStG statt durch Identifikationsnummer auch in anderer geeigneter Weise erfolgen[43].

Koordinierungsregel des Art. 68 Abs. 2 S. 3 VO Nr. 883/2004 in EU-Kindergeldfällen: Der Anspruch auf Kindergeld im nachrangigen Staat ist nicht nach Art. 68 Abs. 2 S. 3 VO Nr. 883/2004 ausgeschlossen, wenn

  • nur ein Anspruch im nachrangigen Staat besteht,
  • die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch im vorrangigen Staat aber nicht erfüllt werden.

Die Koordinierungsregel des Art. 68 Abs. 2 S. 3 VO Nr. 883/2004 ist nur anwendbar, wenn konkurrierende Ansprüche im Sinne dieser Vorschrift vorliegen. Wird daher in dem vorrangig zuständigen Mitgliedstaat für einzelne Kinder keine dem Kindergeld vergleichbare Leistung erbracht, weil die nationalen Rechtsvorschriften keinen Anspruch für das Kind vorsehen, müssen die allein durch den Wohnort einer berechtigten Person ausgelösten Ansprüche auf Familienleistungen für in einem anderen Mitgliedstaat lebende Kinder erfüllt sein[44].

Wohnsitz-Wohnsitz-Fälle, wenn ...

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