Leitsatz

Die Tätigkeit eines Diplom-Ingenieurs im EDV-Bereich führt nach Auffassung des FG Hamburg auch dann zu Einkünften nach § 18 EStG, wenn er Anwendersoftware entwickelt [1]. Nach dem heutigen Stand der IT-Technologie sei zur Abgrenzung vom gewerblich tätigen EDV-Berater erforderlich, dass eine informations- bzw. elektrotechnische Herangehensweise tätigkeitsprägend ist. Die Unterscheidung der Bereiche Systemsoftware- und Anwendersoftware-Entwicklung könne für die steuerliche Behandlung nicht mehr maßgeblich sein.

 

Sachverhalt

Im Streitfall war ein Diplom Ingenieur im Rahmen eines Projektes für die B-Bank tätig. Das Projekt beschäftigte sich mit der Erstellung einer über verschieden Plattformen hinweg unabhängigen Kommunikationsschnittstelle zwischen Bankanwendungen und versicherungsfachlichen Kernsystemen mit bestimmten Kernanforderungen. Aus diesem Projekt ergaben sich noch Folgeaufträge. Aufgrund von Kenntnissen, die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erlangt wurden, wurden die Einkünfte der Gewerbesteuer unterworfen. Der Steuerpflichtige begehrte die Aufhebung der Gewerbesteuer-Meßbescheide. Er vertrat die Ansicht, dass seine Tätigkeit im EDV-Bereich die Erstellung von System-Software beinhaltet und zu Einkünften aus selbständiger Tätigkeit führt. Das Finanzamt führte aus, der Steuerpflichtige erziele gewerbliche Einkünfte, da er lediglich im Bereich der Anwendersoftware-Entwicklung tätig sei. Nach Erkenntnissen der Steuerfahndung verwende er die von der B-Bank beschaffte Standard-Software und passe diese den Erfordernissen seines Auftraggebers an. Nach bisheriger, ständiger Rechtsprechung des BFH liegt im Arbeitsbereich der EDV-Beratung eine für den Ingenieurberuf typische Tätigkeit nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige im Bereich der Systemtechnik tätig wird. Davon abzugrenzen ist die sog. Anwendersoftware-Entwicklung, die nach Auffassung des BFH keine ingenieur-typische Tätigkeit darstellt.

 

Entscheidung

Angesichts der EDV-Entwicklung in den 90er Jahren, des heutigen Standes der Ausbildung und Tätigkeiten von Ingenieuren wird diese Unterscheidung zunehmend in Zweifel gezogen (FG München, Beschluss v. 2.10.2001, 11 V 4133/01, EFG 2002 S. 132; FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 16.5.2002, 4 K 1375/01, EFG 2002 S. 1046; FG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.7.2001, 2 K 187/99, EFG 2001 S. 1449; FG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.5.1999, 12 K 410, FR 1999 S. 1373.). Nach dem heutigen Stand der IT-Technologie ist die Betriebssoftware (Systemsoftware) weitgehend standardisiert. Die Entwicklung von Anwendersoftware nimmt hingegen sowohl im Rahmen der Ausbildung als auch im Rahmen der Tätigkeit von Diplom Ingenieuren mit wissenschaftlichem Abschluss einen hohen Stellenwert ein. Auch stellt sie Gegenstand zahlreicher Promotionen dar. Aufgrund einer VDE-Studie 2000 (VDE = Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik) gehören Software-Entwicklungen inzwischen zu einem absoluten "Muss" für die Ingenieurarbeit. In diesem Zusammenhang hat sich der Begriff des Software-Engineering gebildet, ohne dass es dabei auf eine Unterscheidung zwischen Betriebs- und Anwendersoftware ankäme. Nach Auffassung des Finanzgerichtes ist die Tätigkeit des Katalogberufs Diplom-Ingenieur als freiberufliche Tätigkeit anzusehen, wenn es sich um eine ingenieurmäßige Beschäftigung und Entwicklung von Software handelt. Maßgeblich sei hierbei, dass eine informations- bzw. elektrotechnische Herangehensweise tätigkeitsprägend sei. Es könne dahinstehen, ob die im Streitfall ausgeübte Tätigkeit der Anwendersoftware- oder Systemsoftware-Entwicklung zuzuordnen sei.

 

Link zur Entscheidung

FG Hamburg, Urteil vom 13.09.2002, VI 170/00

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