[3] Für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist davon auszugehen, dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen...

1. Informationstransparenz

 

Rz. 225

[Autor/Stand] Prinzip der Informationstransparenz. Die Passage, dass bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes davon auszugehen ist, dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen, wurde mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008[2] in das Gesetz aufgenommen (damals in § 1 Abs. 1 Satz 2). Zur Begründung führt der Gesetzgeber Folgendes aus, dass zur Vermeidung willkürlicher Ergebnisse im Verhältnis der nahestehenden Personen Transparenz hinsichtlich aller Informationen anzunehmen sei, die für die Geschäftsbeziehung wesentlich sind. So werde sichergestellt, dass nicht jeder beliebige Fremdvergleich zu berücksichtigen ist, der auch unter irregulären Umständen (z.B. wegen mangelhafter Information oder Qualifikation) zustande gekommen sein kann. Dies sei insbesondere für den hypothetischen Fremdvergleich wichtig.[3]

 

Rz. 226

[Autor/Stand] Widerspruch zum Fremdvergleichsgrundsatz. Das sog. Transparenzprinzip des § 1 Abs. 1 Satz 3 geht davon aus, dass sich Marktpreise unter vollständiger Information bilden. Der Gesetzgeber geht damit – insbesondere bei Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs – von einer Figur des "allwissenden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (Hellseher)" aus, welcher im allgemeinen Geschäftsverkehr gerade nicht vorliegen kann. Hier ist die Entstehung und Vereinbarung von Marktpreisen vielmehr durch Informationsasymmetrien gekennzeichnet, welche letztlich zu Preisbandbreiten führen. Soweit der Gesetzgeber diese Informationsasymmetrien als "irreguläre Umstände" bezeichnet, negiert er die tatsächlichen Gegebenheiten des Wirtschaftslebens. Dies zeigt sich bspw. beim Unternehmenskauf, wo Verkäufer und Käufer typischerweise unterschiedliche Informationslagen haben. § 1 Abs. 1 Satz 3 widerspricht daher dem fremdüblichen Marktgeschehen. Vor diesem Hintergrund ist die Vorschrift nicht vom Fremdvergleichsgrundsatz gedeckt; auch die Unionsrechtskonformität der Regelung ist vor diesem Hintergrund fraglich.[5] Denn letztlich wird die Hypothese des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters durch eine unzulässige Fiktion ersetzt. Es ist letztlich nicht vorstellbar, dass eine Person im Geschäftsleben abstrakt über jegliche einschlägige Information verfügt, insbesondere bei der Festlegung von Verrechnungspreisen über die (kalkulatorischen) Vorgaben des Geschäftspartners, der kaum seine Bücher öffnen wird. Im Ergebnis ist der Kenntnisbereich auch des gedachten ordentlichen Geschäftsleiters immer auf die auch tatsächlich erreichbaren Bereiche des Kennens oder Kennenmüssens zu verengen. Der zweite Teil des § 1 Abs. 1 Satz 3, nämlich dass bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes davon auszugehen ist, dass die voneinander unabhängigen Dritten nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln, ist hingegen zutreffend und notwendig, da anderenfalls das Zustandekommen marktkonformer Verrechnungspreise nicht erreicht werden kann (zum Kriterium des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters siehe nachfolgend Rz. 227 ff.[6]

... und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln.

[Autor/Stand] Autor: Ditz/Wassermeyer/Licht, Stand: 01.09.2023
[2] Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912 = BStBl. I 2007, 630.
[3] Vgl. BT-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, S. 142.
[Autor/Stand] Autor: Ditz/Wassermeyer/Licht, Stand: 01.09.2023
[5] Vgl. Quilitzsch in W/B/D, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen2, Rz. 13.31.
[6] Vgl. BT-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, S. 142.

2. Kriterium des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters

 

Rz. 227

[Autor/Stand] Ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter als Sorgfaltsmaßstab. Beim Kriterium des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters handelt es sich um ein Kriterium des deutschen Handelsrechts, das die BFH-Rspr. in das Steuerrecht übernommen hat und das in § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG seine gesetzliche Grundlage hat. Hiernach ist bei der Anwendung des Fremdvergleichs davon auszugehen, "dass die voneinander unabhängigen Dritten [...] nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln." Es dient den VWG VP 2023[2], den VWG-Arbeitnehmerentsendung[3], den VWG-Funktionsverlagerung[4], den VWG-BsGa[5] und den VWG 2020[6] als zentrales Angemessenheitskriterium. Wassermeyer betont, dass es sich bei dem Maßstab des ordentlichen Geschäftsführers um eine "Erfindung Döllerers" handele, der den Maßstab aus den §§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG abgeleitet habe, obwohl beide Vorschriften mit einer vGA im steuerlichen Sinne nichts zu tun hätten. Genau genommen sei dieser Maßstab ohne jede Rechtsgrundlage.[7] Dennoch erwächst die besondere Relevanz dieser Rechtsfigur als Objektivitätskriterium des deutschen Steuerrechts aus ihrer zentralen Stellung innerhalb der beiden dominanten...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge