(1) Zuordnungsvermutung (Satz 1)

(1)   1 Eine Personalfunktion ist der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die Personalfunktion ausgeübt wird.

 

Rz. 3013

[Autor/Stand] Grundregelung. Eine Personalfunktion ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BsGaV grundsätzlich derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen, in der sie ausgeübt wird. Ausübung ist dabei so zu verstehen, dass sich der die Personalfunktion ausübende Mitarbeiter physisch in den Räumen der Betriebsstätte befinden muss (örtlicher Bezug). Ob dies ausreichend ist, um eine Personalfunktion stets rechtssicher einer Betriebsstätte zuzuordnen, ist jedoch fraglich, da Mitarbeiter häufig wechselnde geographische Einsatzorte haben und die konkrete Funktionsausübung auch mithilfe der modernen Kommunikationsmittel (E-Mail, Videokonferenzen, mobile Kommunikation etc.) erfolgen kann, womit der konkrete Aufenthaltsort des eine Entscheidung treffenden Mitarbeiters seine Bedeutung verliert.[2] Auch ist ungeklärt, wie der Fall einer Entscheidungsausübung durch ein Gremium mehrerer Mitarbeiter des Unternehmens beurteilt werden soll, wenn sich diese an verschiedenen Orten aufhalten. Hier dürfte eine lokale Anknüpfung regelmäßig ausscheiden. Anhand der arbeitsvertraglichen Situation ist ebenfalls keine Zuordnung von Personalfunktionen möglich, da die Mitarbeiter jeweils einen Arbeitsvertrag mit dem Gesamtunternehmen haben.

Im Fall des Aufenthalts des Mitarbeiters außerhalb der Betriebsstätten des Unternehmens (z.B. im Rahmen einer Reisetätigkeit) fehlt es an einem örtlichen Bezug der Personalfunktion.[3] Gleiches gilt, wenn der Mitarbeiter im Homeoffice tätig wird: Nach der ständigen Rspr. des BFH ist ein Homeoffice mangels jederzeitigen Zugangs durch den Arbeitgeber nicht als eigene Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO anzusehen (Anm. 2819, 2823).[4] Gegebenenfalls kann hier jedoch eine Vertreterbetriebsstätte vorliegen.[5] Soweit Aktivitäten rein ausführender Natur betroffen sind, dürfte in den meisten Fällen eine eindeutige Zuordnung der jeweiligen Personalfunktion nach dem örtlichen Kriterium möglich sein.

 

Rz. 3014

[Autor/Stand] Mehrfacher örtlicher Bezug. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Personalfunktion durch einen Mitarbeiter gleichzeitig in mehreren Betriebsstätten ausgeübt wird (z.B. durch Pendeln zwischen zwei in unterschiedlichen Staaten gelegenen Betriebsstätten, Anm. 2937) und dies innerhalb des Wirtschaftsjahrs jeweils an mindestens 30 Tagen stattfindet, womit § 4 Abs. 1 Satz 2 BsGaV (Anm. 3016) keine Anwendung findet (Anm. 3015). In diesem Fall kommt dem Unternehmen ein entsprechenden Beurteilungsspielraum zu (§ 4 Abs. 3 BsGaV, Anm. 3018). § 4 Abs. 2 BsGaV (Zuordnung nach dem sachlichen Bezug, Anm. 3017) ist demgegenüber hier nicht anwendbar, weil die Vorschrift ausdrücklich darauf Bezug nimmt, dass die Personalfunktion weder in der Betriebsstätte noch im übrigen Unternehmen ausgeübt wird, eine solche Ausübung hier aber unzweifelhaft vorliegt.

Abzugrenzen ist der vorstehend angesprochene Fall davon, dass die gleichen Personalfunktionen in Bezug auf einen Zuordnungsgegenstand gleichzeitig durch mehrere Personen in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt wird (sog. Funktionsaufteilung, Anm. 2946).

 

Rz. 3015

[Autor/Stand] Zeitbezug der Zuordnung der Personalfunktion. Grundsätzlich kommt es bei der Zuordnung von Personalfunktionen nicht auf die Dauerhaftigkeit der Ausübung an, sondern es ist eine zeitpunktbezogene Beurteilung vorzunehmen. Die Dauer der Ausübung ist dann unerheblich, wenn ein sachlicher Zusammenhang der Personalfunktion zur Betriebsstätte besteht (Anm. 3016 f.). Grundsätzlich können daher auch kurzfristige oder wiederholte Wechsel hinsichtlich des Tätigkeitsorts der Mitarbeiter zu einer entsprechenden Zuordnung von Vermögenswerten führen bzw. anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 auslösen.[8] Dem sachlichen Bezug zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte (Anm. 3016) kommt daher eine entscheidende Bedeutung zu. Wird die Personalfunktion an mindestens 30 Tagen innerhalb eines Wirtschaftsjahrs in der Betriebsstätte ausgeübt, kommt es auf das Kriterium des sachlichen Bezugs grundsätzlich nicht mehr an (Anm. 3016).

[Autor/Stand] Autor: Leonhardt/Tcherveniachki, Stand: 01.10.2017
[2] Vgl. Kroppen, DB 2014, 2134; Roeder/Friedrich, BB 2015, 1055
[3] Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG BsGa, BStBl. I 2017, 182, Tz. 2.4.2, vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 447 ff.
[4] Abkommensrechtlich kann dagegen eine Betriebsstätte vorliegen, vgl. Anm. 2823.
[5] Hierzu Kahle/Kindich, IStR 2016, 94.
[Autor/Stand] Autor: Leonhardt/Tcherveniachki, Stand: 01.10.2017
[Autor/Stand] Autor: Leonhardt/Tcherveniachki, Stand: 01.10.2017
[8] Vgl. Roeder/Friedrich, BB 2015, 1055.

(2) Widerlegung der Zuordnungsvermutung (Satz 2)

2 Eine Personalfunktion ist einer Betriebsstätte jedoch nicht zuzuordnen, wenn die Personalfunktion

  1. keinen sachlichen Bezug zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte aufweist und
  2. an weniger als 30 Tagen innerhalb eines Wirtschaftsjahres in dieser Betriebsstätte ausgeübt wird.
 

Rz. ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge