(1)  Diese Verordnung ist sinngemäß auf ständige Vertreter im Sinne des § 13 der Abgabenordnung anzuwenden.

 

Rz. 3801

[Autor/Stand] Sinngemäße Anwendung der BsGaV. Nach § 1 Abs. 5 Satz 5 ist der AOA auch auf ständige Vertreter anzuwenden (Anm. 2887). § 39 Abs. 1 BsGaV sieht ausdrücklich vor, dass die BsGaV sinngemäß für ständige Vertreter i.S.d. § 13 AO gilt. Die analoge Anwendung der BsGaV sei nach Auffassung der Finanzverwaltung deswegen sachgerecht, weil der ständige Vertreter abkommensrechtlich im Regelfall eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA begründet (Anm. 2823). Mithin soll die Regelung des § 39 Abs. 1 BsGaV zu einer Gleichbehandlung von Betriebsstätten i.S.d. § 12 AO und ständigen Vertretern i.S.d. § 13 AO führen.[2] Diese Ansicht verkennt jedoch, dass zwischen dem ständigen Vertreter nach § 13 AO einerseits und der Vertreterbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA Unterschiede bestehen (siehe nachfolgend Anm. 3802 ff.), die im Praxisfall dazu führen können, dass ein Steuerpflichtiger zwar einen ständigen Vertreter i.S.d. § 13 AO begründet, jedoch ohne dass gleichzeitig eine abkommensrechtliche Vertreterbetriebsstätte vorliegt. In einer solchen Konstellation würde der Steuerpflichtige in der Regel keine Gewinnabgrenzung nach den einschlägigen Vorschriften der BsGaV vornehmen, weil es an einem Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats fehlt. Dies würde aber der Finanzverwaltung nach Maßgabe des § 1 Abs. 5 Satz 5 i.V.m. § 39 Abs. 1 BsGaV (verfahrensrechtlich) die Möglichkeit zur Einkünfteschätzung und Festsetzung von Strafzuschlägen nach § 163 AO eröffnen.[3]

 

Rz. 3802

[Autor/Stand] Ständiger Vertreter i.S.d. § 13 AO. Nach § 13 AO begründet eine natürliche oder juristische Person, die nachhaltig (d.h. nicht nur vorübergehend) Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachanweisungen unterliegt, einen ständigen Vertreter (siehe auch Anm. 2820 und Anm. 2823). Die Begründung eines ständigen Vertreters setzt keinen räumlichen Anhaltspunkt (z.B. angemietete Büroräume) voraus. Ferner ist eine Vollmacht des ständigen Vertreters nicht erforderlich; vielmehr reicht die tatsächliche Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen des vertretenen Unternehmens aus.[5] Weiterhin ist eine persönliche Abhängigkeit nicht notwendig.[6] Es reicht bereits eine sachliche Weisungsgebundenheit aus, die dann gegeben ist, wenn der Wille des Unternehmers die Tätigkeit des ständigen Vertreters bestimmt.[7] Damit können auch Handelsvertreter oder Kommissionäre einen ständigen Vertreter darstellen. Ein ständiger Vertreter liegt nur dann vor, wenn die Besorgungsleistung nachhaltig im Sinne einer nicht nur gelegentlichen, sondern dauerhaften bzw. fortgesetzten Tätigkeit ausgeübt wird. Eine nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit führt indessen nicht zur Begründung eines ständigen Vertreters.[8] Im Ergebnis kommt es beim ständigen Vertreter nicht auf territoriale Bezugspunkte, sondern nur auf die Tätigkeit einzelner Personen an. Hat ein ausländisches Unternehmen einen ständigen Vertreter i.S.d. § 13 AO in Deutschland, unterliegen die dem ständigen Vertreter zuzurechnenden Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG. Die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte des ausländischen Unternehmens unterliegen mangels Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO nicht der Gewerbesteuer. Denn eine Gewerbesteuerpflicht setzt einen Gewerbebetrieb voraus, der im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Diese Tatbestandsvoraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO im Inland vorliegt. Im umgekehrten Fall einer im Inland ansässigen Person kommt die Anrechnung der ausländischen Steuern (§ 34c Abs. 1 EStG) nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 13 AO erfüllt sind.

 

Rz. 3803

[Autor/Stand] Abkommensrechtliche Vertreterbetriebsstätte nach dem OECD-MA 2014. Die Tatbestandvoraussetzungen und die Rechtsfolgen einer Vertreterbetriebsstätte sind abkommensrechtlich und national nicht deckungsgleich. Der Begriff der Vertreterbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA 2014 ist deutlich enger als der Begriff des ständigen Vertreters i.S.d. § 13 AO. Nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2014 begründet ein "abhängiger" Vertreter eine Vertreterbetriebsstätte, wenn

  eine Person – mit Ausnahme eines unabhängigen Vertreters – für ein Unternehmen in einem Vertragsstaat tätig wird und
  die Vollmacht besitzt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, und
  sie diese Vollmacht dort gewöhnlich ausübt.

Nach Art. 5 Abs. 6 OECD-MA 2014 begründen Makler, Kommissionäre und andere "unabhängige" Vertreter keine Vertreterbetriebsstätte, wenn diese Personen im Rahmen ihrer "ordentlichen Geschäftstätigkeit" handeln. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2014 fordert – im Gegensatz zu § 13 AO – ausdrücklich das Vorliegen einer Vollmacht des Vertreters, im Namen des vertretenen Unternehmens Verträge abzuschließen. Eine Vollmacht setzt die Abgabe (oder den Empfang) einer Willenserklärung im Namen des vertretenen Untern...

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