Rz. 52

[Autor/Stand] Zweck und (mögliche) Wirkung von Tax Rulings. Tax Rulings sollen den Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit gewähren. Diese ist für Unternehmen nicht nur bei anstehenden Investitionen und Umstrukturierungen, sondern auch bei Verrechnungspreissachverhalten von Bedeutung, da Verrechnungspreise die Grundlage für die Steuerlast eines Unternehmens in einer bestimmten Steuerjurisdiktion bilden. Obwohl die Auskünfte von Steuerbehörden Rechts- und Planungssicherheit gewähren und damit auch positive Effekte haben, beinhalten sie indes auch wettbewerbsverfälschendes Potenzial, und zwar in zweierlei Hinsicht. Denn einerseits können die Mitgliedstaaten derartige Auskunftsinstrumente im internationalen Standortwettbewerb nutzen, um Investoren anzulocken. Andererseits können solche Auskünfte aber auch genutzt werden, um bestimmten Unternehmen steuerliche Vorteile gegenüber anderen Unternehmen zu gewähren.[2] Vor diesem Hintergrund können Tax Rulings unstreitig staatliche Beihilfen beinhalten.

 

Rz. 52.1

[Autor/Stand] Steuersouveränität steht der Beihilfenkontrolle durch die Kommission nicht entgegen. In diesem Zusammenhang bestätigte das EuG ausdrücklich die Kompetenz der Kommission, Tax Rulings der Beihilfenkontrolle zu unterziehen; sie überschreite damit nicht ihren Zuständigkeitsbereich.[4] Vereinbarungen über Verrechnungspreise, die die Mitgliedstaaten in Steuervorbescheiden akzeptieren, können der Beihilfenkontrolle somit nicht entzogen werden, indem sich die Mitgliedstaaten auf ihre Steuersouveränität berufen. Dass die Kommission befugt ist, Vereinbarungen über Verrechnungspreise auf ihre Vereinbarung mit dem EU-Beihilferecht hin zu prüfen, ist nicht überraschend, da die Mitgliedstaaten auch in den nicht harmonisieren Bereichen des Steuerrechts an das Unionsrecht gebunden sind und bereits seit vielen Jahren klar ist, dass der Beihilfenkontrolle auch steuerliche Maßnahmen unterfallen.[5] Die Kommission betreibt insoweit keine verschleierte Harmonisierung. Sie übt die ihr obliegende Beihilfenkontrolle aus, mit der sie sich im Spannungsfeld zwischen dem Schutz des unverfälschten Wettbewerbs und der Steuersouveränität bzw. den wirtschaftspolitischen Lenkungszielen der Mitgliedstaaten bewegt.

 

Rz. 52.2

[Autor/Stand] Grundsatz der Rechtssicherheit steht der Rückforderung/Nachbesteuerung nicht entgegen. Vor dem Hintergrund, dass Tax Rulings Rechts- und Planungssicherheit gewähren sollen, ist es jedoch misslich, wenn Tax Rulings im Nachhinein beanstandet und aufgehoben werden und wenn die Vorteile, die mit ihnen gewährt werden, wieder zurückgefordert werden.[7] Nach Ansicht des EuG steht der Grundsatz der Rechtssicherheit, der auch ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts ist, einer Rückforderung indes nicht entgegen. Denn da die Mitgliedstaaten das Unionsrecht auch im nicht harmonisierten Bereich des Steuerrechts wahren müssen, ist grundsätzlich damit zu rechnen, dass die Kommission einzelne Steuervorbescheide einer Beihilfenprüfung unterzieht.[8] Zudem führt das Aufgreifen einzelner Steuervorbescheide auch nicht zu genereller Rechtsunsicherheit, solange die Verrechnungspreise, die in den Steuervorbescheiden festgeschrieben sind, fremdüblich sind.

 

Rz. 52.3

[Autor/Stand] Rückforderung als zwingende Folge eines Verstoßes gegen das Beihilfeverbot. Damit auch in Zukunft auf den Bestand einer behördlichen Auskunft vertraut werden kann, sollten sowohl die Steuerpflichtigen als auch die mitgliedstaatlichen Steuerverwaltungen darauf achten, dass Vereinbarungen über Verrechnungspreise, die von den Steuerverwaltungen gebilligt werden, möglichst fremdüblich sind, um so auch eine spätere beihilferechtliche Beanstandung und im Ergebnis eine Rückforderung der erhaltenen Vorteile zu vermeiden. In diesem Zusammenhang führt auch der Umstand, dass die Rückforderung der gewährten Vorteile im betreffenden Mitgliedstaat möglicherweise mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen einhergeht, nach Ansicht des EuG nicht dazu, dass die Mitgliedstaaten auf die Rückforderung verzichten könnten.[10] Die Rückforderung der gewährten Vorteile ist die zwingende Folge eines Verstoßes gegen das Beihilfeverbot.[11] Demnach ist das Beihilfeverbot letztlich unabhängig von der Größe und der wirtschaftlichen Bedeutung des betreffenden Unternehmens und unabhängig von der Höhe des gewährten Vorteils durchzusetzen.

 

Rz. 52.4

[Autor/Stand] Nachversteuerung bei Akzeptanz fremdunüblicher Bedingungen. Tax Rulings als solche sind vollkommen legal;[13] die Mitgliedstaaten dürfen einzelnen Unternehmen qua Steuervorbescheid aber keine günstigere Besteuerung gewähren als anderen. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Steuerbehörden in einem Tax Ruling Verrechnungspreise akzeptiert haben, die nicht fremdüblich sind und mit denen die betreffenden Unternehmen eine günstigere Besteuerung erhalten haben als andere, droht ihnen eine Nachversteuerung.

[Autor/Stand] Autor: Ditz/Wassermeyer, Stand: 01.03.2023
[2] Vgl. Kokott, ISR 2017, 398.
[Autor/Stand] ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge