Rz. 2748

[Autor/Stand] Umsetzung des Authorised OECD Approach. Mit dem AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013[2] hat der Gesetzgeber den sog. Authorised OECD Approach (AOA) umgesetzt, der eine weitgehende Selbständigkeitsfiktion von Betriebsstätten enthält (Functionally Separate Entity Approach). Der AOA wurde mit dem Betriebsstättenbericht der OECD v. 17.7.2008 veröffentlicht.[3] Die Umsetzung erfolgt grundlegend in § 1 Abs. 5 Satz 2, der vorsieht, dass eine Betriebsstätte "wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln [ist], es sei denn, die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen erfordert eine andere Behandlung" (Anm. 2881 ff.). Da das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung allgemeine Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung von § 1 ist, musste auch der Begriff der Geschäftsbeziehung angepasst werden, um für Beziehungen zwischen Betriebsstätten und dem übrigen Unternehmen eine Angemessenheitskontrolle nach § 1 zu ermöglichen. Die Erweiterung des Begriffs der Geschäftsbeziehung stellt daher den zentralen Punkt der Angleichung der Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätte und übrigem Unternehmen einerseits und zwischen rechtlich selbständigen verbundenen Unternehmen andererseits dar.[4]

 

Rz. 2749

[Autor/Stand] Begriff der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 erweitert den Begriff der Geschäftsbeziehung auf solche Geschäftsvorfälle, die zwischen Stpfl. und ihrer Betriebsstätte bestehen. Da Betriebsstätten als unselbständigen Teilen des Unternehmens keine eigene Rechtsfähigkeit zukommt, können zwischen ihnen und dem übrigen Unternehmen keine schuldrechtlichen Vereinbarungen abgeschlossen werden.[6] Gleichwohl zwischen ihnen abgeschlossene "Verträge" sind steuerrechtlich nach der Rspr. des BFH nicht anzuerkennen.[7] Um die faktisch zwischen verschiedenen Betriebsteilen (Betriebsstätten) bestehenden Beziehungen der Angemessenheitskontrolle nach § 1 zu unterwerfen, hat der Gesetzgeber mit dem AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013[8] den Begriff der "anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung" eingeführt, der diese Geschäftsvorfälle erfassen soll. Hier ist darauf hinzuweisen, dass auch der Unternehmensteil, in dem die geschäftliche Oberleitung eines Unternehmens erfolgt, eine Betriebsstätte darstellt (sog. Geschäftsleitungsbetriebsstätte, Anm. 2821). Zu dem häufig verwendeten Begriff des "Stammhauses" vgl. Anm. 2822. In terminologischer Hinsicht fällt zunächst auf, dass der Gesetzgeber hier den Ausdruck der "schuldrechtlichen Beziehung" einer erneuten Verwendung zuführt, während er ihn gleichzeitig im Bereich der Beziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 durch den Begriff des "Geschäftsvorfalls" ersetzt hat. Weshalb hier nicht z.B. der Begriff des "anzunehmenden Geschäftsvorfalls" verwendet wurde, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht.

Darüber hinaus kann das Abstellen auf den Begriff "Unternehmen [des] Steuerpflichtigen", der in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 sowie in der Gesetzesbegründung[9] dem der Betriebsstätte gegenüber gesetzt wird, nur bedingt überzeugen. Da "das Unternehmen" grundsätzlich sämtliche einzelnen Betriebsstätten umfasst (Anm. 2753), würde eine Beziehung der Betriebsstätte zu "dem Unternehmen", dessen Teil sie ist, eine (teilweise) Beziehung zu sich selbst implizieren. Dies steht im Widerspruch zu der Zielsetzung der fremdvergleichskonformen Gewinnabgrenzung zwischen den rechtlich unselbständigen Unternehmensteilen. Beziehungen sind nur zwischen einzelnen Unternehmensteilen möglich, die z.B. durch Betriebsstätten abgrenzbar sind. Zum Verständnis der Regelung muss daher vielmehr auf das Begriffspaar "Betriebsstätte" und "übriges Unternehmen" abgestellt werden. § 16 Abs. 1 der BsGaV v. 13.10.2014[10] verwendet dieses Begriffspaar (Anm. 3321 ff.).[11]

Da § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 einen Inlandsbezug nur hinsichtlich des Stpfl. selbst, nicht aber hinsichtlich des Unternehmens bzw. des von dem Geschäftsvorfall betroffenen Unternehmensteils herstellt, können anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen grundsätzlich aufgrund der folgenden Geschäftsvorfälle bestehen:

  • Geschäftsvorfälle zwischen dem inländischen Unternehmensteil eines Unternehmens mit Geschäftsleitung im Inland und seiner ausländischen Betriebsstätte (Outboundfall, Anm. 2754);
  • Geschäftsvorfälle zwischen dem ausländischen Unternehmensteil eines Unternehmens mit Geschäftsleitung im Ausland und seiner inländischen Betriebsstätte (Inboundfall, Anm. 2755)[12];
  • Geschäftsvorfälle zwischen ausländischen Betriebsstätten des Unternehmens eines im Inland Stpfl. (Anm. 2756).
 

Rz. 2750

[Autor/Stand] Geschäftsvorfall. Der Begriff des Geschäftsvorfalls ist in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 als "einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge" legaldefiniert (Anm. 2730). Diese Definition gilt auch für § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2. „Wirtschaftliche Vorgänge” definiert die Gesetzesbegründung als "alle rechtlichen Beziehungen und tatsächlichen Handlungen".[14] Da rechtliche Beziehungen zwischen einzelnen Betriebsstätten ein...

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