Rz. 3518

[Autor/Stand] Funktionsausübung in mehreren Betriebsstätten. § 24 Abs. 3 BsGaV regelt, dass bei einer Funktionsausübung in mehreren Betriebsstätten der Versicherungsvertrag dem Unternehmensteil zuzuordnen ist, in dem der Schritt des Zeichnungsprozesses durchgeführt wird, dem die größte Bedeutung für die unternehmerische Risikoübernahmefunktion zukommt. Eine solche Zuordnung zu nur einem Teil des Versicherungsunternehmens ist aufgrund der engen Verknüpfung des Versicherungsvertrags mit den versicherungstechnischen Rückstellungen erforderlich, da eine im Extremfall für jeden einzelnen Versicherungsvertrag gesonderte Aufteilung der versicherungstechnischen Rückstellungen auf mehrere Unternehmensteile nicht mehr verlässlich abbildbar wäre. Die Identifizierung des für den Abschluss des Versicherungsvertrags bedeutendsten Schritts im Zeichnungsprozess hat einzelfallbezogen zu erfolgen, insbesondere auf Basis der Art des Versicherungsgeschäfts und des Geschäftsmodells.[2] Die Finanzverwaltung geht dabei vorrangig von einer qualitativen Beurteilung und Gewichtung der fünf Schritte des Zeichnungsprozesses aus, wobei folgende Faktoren in die Beurteilung mit einfließen sollen: die Finanzkraft des Versicherungsunternehmens, die versicherungsaufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf die maximale Risikokapazität, die fachlichen Kompetenzen und Fähigkeiten des Personals, die Verfügbarkeit und Kosten einer Rückversicherung durch unverbundene Dritte sowie die strategischen Geschäftsziele des Versicherungsunternehmens.[3] Zur qualitativen Gewichtung der einzelnen Schritte des Zeichnungsprozesses schlägt die Finanzverwaltung eine Skala von 1 bis 5 vor, die die relative Bedeutung eines jeden Schritts abbildet.[4] Für die qualitative Beurteilung der Funktionsausübung ist somit eine detaillierte Unternehmens- und Funktionsanalyse durchzuführen, in der auch die Entscheidungsprozesse des Versicherungsunternehmens innerhalb des Zeichnungsprozesses zu analysieren sind. So umfasst bspw. die Festlegung der Zeichnungsstrategie als erster Schritt des Zeichnungsprozesses häufig nur die Bestimmung von Parametern, anhand deren die Höhe des Risikos, das versichert werden kann, ermittelt wird. Diese Parametervorgabe im Rahmen der Gesamtstrategie des Versicherungsunternehmens, ohne weitere Beteiligung am spezifischen Entscheidungsprozess hinsichtlich eines konkreten Versicherungsvertrags und -risikos, ist grundsätzlich nicht Teil der wesentlichen Entscheidungsfunktion im Hinblick auf das Versicherungsrisiko. Anderes würde nur gelten, wenn die Festlegung der Zeichnungsstrategie nicht nur die strategische Ebene betrifft, sondern auch den operativen Prozess im Unternehmen umfasst.[5] Für den Fall, dass die qualitative Analyse zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, können auch die im Zusammenhang mit dem Zeichnungsprozess entstandenen Personalkosten herangezogen werden, um die relative Bedeutung eines jeden einzelnen Schritts zu ermitteln und um festzulegen, welchem Teil des Versicherungsunternehmens die größte Bedeutung in der Ausübung der einzelnen Schritte des Zeichnungsprozesses zukommt.[6] Dabei sollten auch unterschiedliche Kosten- bzw. Lohnniveaus in den betroffenen Ländern berücksichtigt werden. Der Vorrang der qualitativen Beurteilung vor der Berücksichtigung quantitativer Aspekte ergibt sich jedoch weder aus § 24 Abs. 3 BsGaV noch aus der Verordnungsbegründung. Für eine rein quantitative Analyse spricht zwar ein höherer Objektivierungsgrad, was bei einer Beurteilung eines Sachverhalts durch mindestens zwei Finanzverwaltungen in der Regel von Vorteil ist. (Ausschließlich) quantitative Kriterien können jedoch häufig nicht die Bedeutung einer Funktionsausübung für den Wertschöpfungsprozess adäquat wiedergeben, so dass in diesem Fall eine qualitative Analyse zu bevorzugen ist. Letztlich sollte es dem Steuerpflichtigen überlassen sein, ein Gewichtungsmodell zu entwickeln, das die Wertschöpfung für seinen Versicherungsbereich angemessen abbildet.[7]

 

Rz. 3519

[Autor/Stand] Maßgeblichkeit des Zeichnungsprozesses. Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 3 BsGaV sind für die Zuordnung der Vermögenswerte des Versicherungsunternehmens nur die bis zum Abschluss des Versicherungsvertrags ausgeübten Personalfunktionen zu berücksichtigen. Dies ergibt sich bereits auch aus § 24 Abs. 1 BsGaV, insbesondere aus dessen Satz 3, wonach als unternehmerische Risikoübernahmefunktion allein der Zeichnungsprozess definiert wurde, der mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags endet. Diese Einschränkung widerspricht jedoch der unternehmensspezifischen und funktionsbasierten Sichtweise des Fremdvergleichsgrundsatzes (siehe hierzu auch Anm. 3511).

 

Rz. 3520

[Autor/Stand] Auffassung der OECD. Der OECD-Betriebsstättenbericht enthält ein eigenes Kapitel zur Funktionsaufteilung bei Versicherungsbetriebsstätten, in dem ein anderes Vorgehen als in § 24 Abs. 3 BsGaV vorgeschlagen wird.[10] So soll nach Auffassung der OECD das wirtschaftliche Eigentum am Versicherungsrisiko w...

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