Rz. 46.2

[Autor/Stand] Urteilssachverhalt. Dass die Finanzverwaltung mit o.g. Sichtweise falsch lag, zeigt das EuGH-Urteil v. 31.5.2018 in der Rechtssache Hornbach-Baumarkt.[2] Der Entscheidung liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Geklagt hatte die in Deutschland ansässige Hornbach-Baumarkt AG. Diese war im Streitjahr 2003 über die Hornbach International GmbH und deren niederländische Tochtergesellschaft Hornbach Holding BV zu mittelbar 100 % an der Hornbach Real Estate Groningen BV und der Hornbach Real Estate Wateringen BV beteiligt, die ebenfalls in den Niederlanden ansässig waren (nachfolgend: Auslandsgesellschaften). Gegenüber diesen Auslandsgesellschaften hatte die Klägerin Patronatserklärungen abgegeben, ohne hierfür ein Entgelt in Form einer Haftungsvergütung zu verlangen. Diese waren nötig, um den bilanziell überschuldeten Auslandsgesellschaften die Möglichkeit zu eröffnen, Fremdkapital bei Kreditgebern aufzunehmen. Im Besonderen hatte sich die Hornbach-Baumarkt AG dazu verpflichtet, die Auslandsgesellschaften finanziell derart auszustatten, dass diese ihren Schuldendiensten gegenüber Banken gesichert nachkommen konnten. Wegen der fehlenden Möglichkeit, derartige Nutzungseinlagen mittels der verdeckten Einlage gem. § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG zu korrigieren,[3] nahm das beklagte FA eine Einkünfteberichtigung nach § 1 Abs. 1 i.d.F. StVergAbG v. 16.5.2003[4] aufgrund von nicht im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz abgerechneten Geschäftsbeziehungen an. Solche waren gem. § 1 Abs. 4 a.F. im Streitjahr bei den Einkünften zugrundeliegenden, schuldrechtlichen Beziehungen anzunehmen, die keine gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen waren. Als Begründung wurde seitens des beklagten FA angeführt, dass fremde Dritte anstelle der Klägerin aufgrund des damit verbundenen Haftungsrisikos keine unentgeltlichen Patronatserklärungen erteilt hätten und mithin ein Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz evident sei. Die Hornbach-Baumarkt AG sah hierin eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV und reichte Klage beim FG Rheinland-Pfalz ein, das mit Beschluss v. 28.6.2016[5] im Wege des Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 2 AEUV dem EuGH die Frage nach der unionsrechtlichen Vereinbarkeit von § 1 i.d.F. des StVergAbG vorlegte.

 

Rz. 46.3

[Autor/Stand] Entscheidung des EuGH: § 1 AStG kann Niederlassungsfreiheit beschränken. Auf einer Linie mit der SGI-Entscheidung kam der EuGH in der Rechtssache Hornbach-Baumarkt[7] zu dem Ergebnis, dass § 1 die Niederlassungsfreiheit beschränken kann, was jedoch im Sinne einer gerechten Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein kann. Eine Unionsrechtskonformität setzt indessen voraus, dass die Anwendung von § 1 AStG im Einzelfall verhältnismäßig ausgestaltet ist. Mit der Bestätigung dieses Grundsatzes widersprach der EuGH den Schlussanträgen von Generalanwalt Bobek v. 14.12.2017, der aus der fehlenden Vergleichbarkeit von inländischen und grenzüberschreitenden Sachverhalten gar von einer fehlenden Beschränkung der Grundfreiheiten durch § 1 ausging.[8] Der EuGH stellte also nicht die Vergleichbarkeit innerstaatlicher und grenzüberschreitender Sachverhalte infrage, sondern zog die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten als möglichen Rechtfertigungsgrund für die von § 1 evident ausgehende Grundfreiheitenbeschränkung heran.[9] Dabei sprach er § 1 zwar ganz grundsätzlich die Eignung zu, diese Aufteilung zu gewährleisten, um jedoch im Bereich der Verhältnismäßigkeitsprüfung hervorzuheben, dass eine Maßnahme nur dann nicht über das erforderliche Maß hinausgeht, wenn dem Steuerpflichtigen in jedem Einzelfall die Möglichkeit eingeräumt wird, wirtschaftliche Gründe für die Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz nachzuweisen.[10] Bis hierhin kann die Hornbach-Baumarkt-Entscheidung somit als uneingeschränkte Bestätigung der Grundsätze aus der Rechtssache SGI verstanden werden.[11]

 

Rz. 46.4

[Autor/Stand] Wirtschaftliche Gründe als Maßstab der (Un)Verhältnismäßigkeit. Neu waren die Ausführungen des EuGH zur begrifflichen Konkretisierung dessen, was unter wirtschaftlichen und die Vereinbarung von u.U. nicht fremdüblichen Bedingungen rechtfertigenden Gründen im Einzelfall verstanden werden kann. Denn zum einen kommt der Konzernobergesellschaft nach Einschätzung des EuGH als Gesellschafterin stets eine gewisse Verantwortung im Zusammenhang mit der Finanzierung ausländischer Konzerngesellschaften zu. Andererseits lassen sich solche wirtschaftlichen Gründe nach Auffassung des EuGH aber auch an dem wirtschaftlichen Eigeninteresse der Konzernobergesellschaft in ihrer Stellung als Gesellschafterin am geschäftlichen Erfolg ihrer ausländischen Tochtergesellschaften festmachen.[13] Wirtschaftliche Gründe in der Diktion des EuGH können gesellschaftsrechtlich veranlasst sein bzw. sie können ihre Ursache auch im Gesellschaftsverhältnis haben.[14] Denn die Konzernobergesellschaft hat nach zutreffender Ei...

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