(1)   1 Für die Zuordnung eines immateriellen Werts zu einer Betriebsstätte ist dessen Schaffung oder dessen Erwerb die maßgebliche Personalfunktion.

 

Rz. 3041

[Autor/Stand] Anknüpfungspunkt für die Zuordnung. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BsGaV ist die für die Zuordnung eines immateriellen Werts (Anm. 2957, 2954) maßgebliche Personalfunktion (Anm. 2944 ff.) die Schaffung oder der Erwerb. Anders als bei materiellen Wirtschaftsgütern ist die Personalfunktion der Nutzung bei immateriellen Werten nur bedingt für die Zuordnung geeignet, weil immaterielle Werte grundsätzlich auch gleichzeitig in verschiedenen Betriebsstätten genutzt werden können.[2] Nach der Verordnungsbegründung sind solche Personalfunktionen von besonderer Bedeutung, die eine aktive unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Frage erfordern, ob und welche Risiken im Zusammenhang mit der Schaffung oder dem Erwerb des immateriellen Werts eingegangen und künftig getragen werden sollen (Anm. 3045).[3] Dies korrespondiert mit dem sog. Risk-Control-Konzept der OECD, das die Zuordnung von Risiken an die diese kontrollierenden Personalfunktionen sowie die finanziellen Mitteln zur Übernahme von Risiken knüpft und von vertraglichen Gestaltungen eher abstrahiert.[4]

Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 weist darauf hin, dass der beabsichtigten Nutzung eines immateriellen Werts als solcher zwar keine Indizwirkung für die Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern zukommt, die Initiative und Steuerung hinsichtlich der Schaffung eines immateriellen Werts aber häufig auf eine diesen Wert später nutzende Betriebsstätten zurückgehen, womit auch die Nutzung eine – zumindest mittelbare – Zuordnungsbedeutung entfalten kann.[5]

 

Rz. 3042

[Autor/Stand] Regelvermutung bei selbst geschaffenen immateriellen Werten. Bei selbst geschaffenen immateriellen Werten ist die Schaffung gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 BsGaV die maßgebliche Personalfunktion (erste Regelvermutung).

Die Schaffung eines immateriellen Werts ist die "die Ausübung einer Personalfunktion, die für die Entstehung des immateriellen Werts entscheidend ist."[7] Anders als der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 BsGaV nahelegt, ist die Schaffung daher nicht als monolithische Personalfunktion zu verstehen, sondern als Summe einzelner Personal(unter)funktionen einzuordnen. Dies sind z.B.

  • die entsprechenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten,
  • die Gestaltung der Prüfanforderungen und Prüfverfahren, die den Rahmen für die konkrete Forschungs- und Entwicklungstätigkeit bilden,
  • die Analyse der aus diesen Prüfungen stammenden Daten,
  • die Bestimmung von Entwicklungsphasen ("Meilensteinen") für das jeweilige Projekt sowie
  • die Entscheidung, insbesondere wenn die jeweiligen Entwicklungsphasen abgeschlossen werden, ob das konkrete Projekt weiterfinanziert oder aufgegeben wird.[8]

Selbst geschaffene immaterielle Werte des Anlagevermögens sind grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt bilanzierungsfähig und damit in der Hilfs- und Nebenrechnung einer Betriebsstätte auszuweisen, zu dem sie Gegenstand einer fiktiven Veräußerung i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV waren (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BsGaV i.V.m. § 5 Abs. 2 EStG, Anm. 2990).[9]

 

Rz. 3043

[Autor/Stand] Regelvermutung bei erworbenen immateriellen Werten. Bei erworbenen immateriellen Werten ist der Erwerb gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 BsGaV die maßgebliche Personalfunktion (zweite Regelvermutung), was auf diejenige Personalfunktion abstellt, die für den Erwerb des Wirtschaftsguts entscheidend ist. Im Einzelnen umfasst dies z.B.

  • Prüfung, ob Bedarf für den immateriellen Wert besteht,
  • Entscheidung darüber, ob der immaterielle Wert erworben oder selbst entwickelt werden soll (Make-or-buy-Entscheidung),
  • Prüfung des zu erwerbenden bzw. des bereits erworbenen immateriellen Werts,
  • Durchführung des eigentlichen Erwerbsvorgangs,
  • Wahrnehmung einer ggf. erforderlichen Folge-Entwicklungstätigkeit,
  • Entscheidung über die Verwendung des immateriellen Werts.[11]

Unter "Erwerb" ist grundsätzlich der Erwerb von rechtlich selbständigen (dritten) Personen zu verstehen. Fiktive Erwerbe i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV stellen dagegen keine Erwerbe i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 BsGaV dar.

 

Rz. 3044

[Autor/Stand] Geschäfts- oder Firmenwert. Der Geschäfts- oder Firmenwert ist zwar ein immaterieller Wert i.S.d. § 2 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2, § 6 BsGaV (Anm. 2957).[13] Als Ergebnis der allgemeinen Geschäftstätigkeit des Gesamtunternehmens ist jedoch zumindest ein originärer, d.h. selbstgeschaffener Geschäfts- oder Firmenwert dem Kriterium der aktiven unternehmerischen Entscheidung hinsichtlich der mit der Schaffung des Geschäfts- oder Firmenwerts verbundenen Risiken grundsätzlich nicht zugänglich. Insbesondere können einem originären Geschäfts- oder Firmenwert auch keine "eigenen" Risiken zugerechnet werden, da letztlich sämtliche unternehmerischen Risiken unmittelbaren Einfluss auf den Geschäfts- oder Firmenwert haben. Eine Zuordnung zu einer einzelnen Betriebsstätte sollte daher i.d.R. ausscheiden.[14] Auch in Fällen, in denen aufgrund einer org...

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