5.1 Erläuterung des zivilrechtlichen Umfeldes

5.1.1 Berliner Testament

 

Rz. 70

Ehegatten setzen sich häufig zur gegenseitigen Absicherung als Alleinerben ein. Meist treffen sie dann ergänzend noch eine Regelung, mit der Sie einen Erben nach dem Überlebenden einsetzen, meist die gemeinsamen Abkömmlinge. Durch solche gemeinsamen Verfügungen, die auch dem eingetragenen Lebenspartner (Rz. 71) offenstehen, wollen sie sicherstellen, dass nach dem Tod des ersten von ihnen das gemeinsame Vermögen zunächst dem Überlebenden verbleibt und dann nach dessen Ableben auf den gemeinsam bestimmten Dritten übergeht.

Grundsätzlich bestehen 3 Gestaltungsmöglichkeiten:

  • Vor- und Nacherbfolge (sog. Trennlösung): Hier hält der Vorerbe nach dem Erbfall 2 getrennte Vermögensmassen, nämlich sein Eigenvermögen und den Nachlass des Verstorbenen.
  • Voll- und Schlusserbfolge (sog. Einheitslösung): Hier wird der Ersterbende Vollerbe, was zu einer Vereinigung seines Vermögens mit dem Nachlass des Erstverstorbenen zu einem einheitlichen Vermögen führt.
  • Vollerbfolge und Nießbrauchsvermächtnis: Hier erbt sofort ein Dritter und der überlebende Ehegatte erhält ein Nießbrauchsvermächtnis.

Obwohl zunächst die Trennlösung als Berliner Testament bezeichnet wurde, wird der Begriff heute für die ersten beiden Varianten oder sogar – entgegen dem historischen Hintergrund – insbesondere für Fälle der Einheitslösung verwendet; und zwar gerade auch, wenn auf § 15 Abs. 3 ErbStG Bezug genommen wird.

Welche dieser Gestaltungsmöglichkeiten gewollt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Erst wenn danach nicht zu behebende Zweifel bestehen, kommt § 2269 Abs. 1 BGB zur Anwendung, wonach ein Fall der Einheitslösung anzunehmen ist.[1] Die Voll- und Schlusserbfolge liegt also vor, wenn diese ausdrücklich angeordnet oder wegen nicht zu beseitigender Zweifel anzunehmen ist.

[1] Weidlich, in Grüneberg, 2022, BGB, § 2269, Rz. 1–5 m. w. N. und Erläuterungen.

5.1.2 Eingetragene Lebenspartnerschaft

 

Rz. 71

Das LPartG ermöglicht 2 Menschen gleichen Geschlechts die Begründung einer Lebenspartnerschaft. Aufgrund des Erfordernisses der Gleichgeschlechtlichkeit, wird zur Vermeidung von Missverständnissen häufig die Begrifflichkeit (eingetragene) gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft verwendet.

Diese Lebenspartnerschaft eröffnet – außerhalb der Verwandtschaft, neben Adoption und Ehe – eine Möglichkeit, in einem vorgegebenen gesetzlichen Rahmen eine grundlegende Bindung einzugehen. Die Rechtsfolgen dieses Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft sind den Rechtsfolgen der Ehe in bürgerlich-rechtlichen Angelegenheiten angenähert.

Eingetragene Lebenspartner können ein gemeinschaftliches Testament errichten. Die §§ 22662273 BGB gelten entsprechend.[1]

5.2 Die steuerrechtliche Anknüpfung an das Zivilrecht

 

Rz. 72

§ 15 Abs. 3 ErbStG gilt für Fälle, in denen der Ersterbende Vollerbe (Einheitslösung, Rz. 70) wird: Dies führt zu einer Vereinigung seines Vermögens mit dem Nachlass des Erstverstorbenen zu einem einheitlichen Vermögen. Konkret knüpft § 15 Abs. 3 ErbStG zunächst an die Norm § 2269 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Art der Verfügung an. §§ 2269 Abs. 1 BGB enthält zwar nur eine Vermutungsregel zugunsten der Einheitslösung; da die Trennlösung anderweitig in § 6 ErbStG geregelt ist, ergibt sich aber, dass konkret an die Einheitslösung angeknüpft werden soll. Die Voll- und Schlusserbfolge als Anwendungsfall des § 15 Abs. 3 ErbStG liegt vor, wenn diese ausdrücklich angeordnet oder wegen nicht zu beseitigender Zweifel anzunehmen ist.

§ 15 Abs. 3 ErbStG sieht bei der Einheitslösung eine begünstigende steuerliche Sonderregelung hinsichtlich der anzuwendenden Steuerklasse vor: Sie soll mittels einer Steuerklassenbegünstigung und einer Freibetragsverbesserung die Härte mildern, die dadurch entsteht, dass der Nachlass des Erstversterbenden häufig innerhalb kurzer Zeit 2 steuerbare Erbvorgänge durchläuft und beim Schlusserben als vereinigte steuerbare Einheit ankommt.

Diese Härte wird aber nicht vollständig beseitigt, da beim Schlusserwerb der vereinigten Vermögen des Erst- und Zweitversterbenden weiterhin nur ein Freibetrag nach § 16 ErbStG zur Anwendung kommt und zur Ermittlung der Steuerstufe des § 19 ErbStG weiterhin der Gesamterwerb der Besteuerung zugrunde gelegt wird. Auch der Härteausgleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG ist damit nur zu gewähren, soweit der Wert des gesamten Erwerbs eine der in § 19 Abs. 1 ErbStG bestimmten Wertgrenzen überschreitet und in einen Bereich fällt, in dem der Wertausgleich vorzunehmen ist.[1]

 

Gestaltungshinweis:

Trotz der auf diesem Umstand basierenden Schmähung des Berliner Testaments als Erbschaftsteuerfalle sollte nicht übersehen werden, dass diese Gestaltung für die zivilrechtliche Absicherung des Zweitversterbenden eine nicht leicht ersetzbare Schutzfunktion hat, auf die nicht ohne wohlüberlegte Absicherungsalternativen verzichtet werden sollte.

 

Rz. 72a

Der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 ErbStG ergibt sich weiterhin aus der Regelung: "Im Fall des § 2269 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und soweit der überlebende Ehegatte oder der überlebende Lebenspartner an die Verfügung gebunden ist ….". Über die Anforderung,...

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