Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine offenbare Unrichtigkeit bei mangelnder Sachaufklärung durch das Finanzamt

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Berichtigung eines Steuerbescheides nach § 129 AO wegen einer offenbaren Unrichtigkeit scheidet aus, wenn der Fehler - hier Anwendung der Splittingtabelle bei getrenntlebenden Ehegatten - bei der Finanzbehörde nicht auf einem gleichsam mechanischen Versehen, sondern sich aufdrängender, aber unterlassener Sachaufklärung beruht.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 129, 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte den unter Anwendung der Splittingtabelle ergangenen Einkommensteuerbescheid 1999 vom 2. Januar 2001 wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 Abgabenordnung (AO) durch Bescheid vom 23. Februar 2001 unter Festsetzung der Einkommensteuer nach der Grundtabelle berichtigen durfte.

Der Kläger war bis zum 16. März 2001 mit seiner früheren Ehefrau verheiratet.

Für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 hatten die damals noch verheirateten Eheleute am 25. März 1999 Einkommensteuererklärungen abgeben. Die am 23. März 1999 von beiden Ehegatten unterschriebenen Erklärungen enthalten neben Angaben zur Person beider Steuerpflichtiger und dem Antrag auf Durchführung einer Zusammenveranlagung den Hinweis, dass die Ehegatten seit dem 1. 11. 1998 dauernd getrennt leben.

In der für das Streitjahr am 10. Oktober 2000 abgegebenen und ausschließlich vom Kläger unterschriebenen Einkommensteuererklärung, von der in den Akten des Beklagten lediglich eine Kopie des sog. Mantelbogens (Vordruck ESt 1 A) abgelegt ist, finden sich neben Angaben zur Person des Klägers auch solche zur damaligen Ehefrau, eine von den früheren Steuererklärungen abweichende Anschrift sowie ein Hinweis auf das Datum der Eheschließung am 4. 12. 1992, nicht jedoch der in den früheren Einkommensteuererklärungen enthaltene Hinweis auf ein dauerndes Getrenntleben. Eine bestimmte Veranlagungsart wurde nicht gewählt.

Mit an den Kläger und seine frühere Ehefrau unter der neuen Anschrift gerichtetem Schreiben vom 26. 10. 2000 wies der Beklagte neben anderen den Werbungskostenbereich des Klägers und die Anlage K betreffenden Beanstandungen auf die noch vorzulegende Lohnsteuerkarte sowie die fehlende Unterschrift der Ehefrau auf der Steuererklärung hin und forderte zu deren Nachholung auf.

Eine Stellungnahme des Klägers zu diesem Schreiben ist den Akten nicht zu entnehmen; insbesondere wurde die Unterschrift der Ehefrau nicht nachgeholt und deren Lohnsteuerkarte nicht vorgelegt.

Der Beklagte folgte in dem am 2. Januar 2001 erlassenen und unter der in der Steuererklärung 1999 angegebenen Anschrift an den Kläger und seine frühere Ehefrau gerichteten Bescheid den Angaben in der Steuererklärung und setzte nach Durchführung einer Zusammenveranlagung die Einkommensteuer nach der Splittingtabelle i. H. v. 576,-- DM fest.

Mit Schreiben vom 17. 1. 2001 kündigte der Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf die im Streitjahr wegen des Getrenntlebens der Ehegatten seit dem 1. 11. 1998 nicht mehr zulässige Zusammenveranlagung an, den Bescheid vom 2. Januar 2001 gemäß § 129 Abgabenordnung zu berichtigen und eine Einzelveranlagung durchzuführen.

Der dementsprechend unter dem 23. Februar 2001 erlassene Bescheid führte unter Anwendung der Grundtabelle zu einer festzusetzenden Einkommensteuer i. H. v. 5.553,-- DM.

Seinen hiergegen am 7. März 2001 erhobenen Einspruch begründete der Kläger damit, er habe mit seiner Ehefrau im Streitjahr noch eine Woche zusammengelebt. Die geforderte Unterschrift der Ehefrau werde nachgereicht.

Nach einer am 18. April 2001 bei dem Beklagten eingegangenen Erklärung vom 16. März 2001 stimmte die frühere Ehefrau des Klägers der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 1999 zu.

Auf weiteres Nachfragen des Beklagten erklärte sie jedoch mit Schreiben vom 9. Mai 2001, sich von dem Kläger im November 1998 getrennt und in 1999 nicht mehr zusammengelebt zu haben; sie habe 1999 Sozialhilfe bezogen.

Unter Bezugnahme hierauf wies der Beklagte den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2001 als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung im Streitjahr nicht vorgelegen haben.

Mit am 10. August 2001 erhobener Klage verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Zur Begründung trägt er u. a. vor:

Der Bescheid vom 23. Februar 2001 könne keine Berichtigung im Sinne des § 129 AO sein. Eine Berichtigung könne nur dann erfolgen, wenn eine offenkundige Unrichtigkeit vorliege, die sich allenfalls in einem falschen Zahlenwerk ausdrücken könne; die Festlegung, nicht die Splittingtabelle anzuwenden, sondern nach der Grundtabelle zu rechnen, sei jedoch ein materiellrechtlich vollkommen neuer Bescheid.

Im übrigen seien die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung im Jahr 1999 gegeben. Die Eheleute hätten bis Februar 1999 gemeinsam in einer Wohnung gelebt und auch gemeinsam gewirtschaftet. Hierfür werde Beweis durch Vernehmung von Zeugen angeboten. Die dem Beklagten gegenüber...

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